Wir entscheiden uns, ein paar Tage in der größten Stadt Brasiliens und einer der größten Metropolen weltweit zu verbringen – São Paulo. Von Florianopolis aus nehmen wir den Nachtbus, der uns direkt ins Herz der Großstadt bringt. Wir sind inzwischen so routinierte Nachtbusfahrer, dass wir nach 12 Stunden Fahrt, trotz holpriger und kurvenreicher Straße, ziemlich ausgeruht ankommen. Überraschenderweise haben wir hier zum ersten Mal nur einen Busfahrer, in allen anderen südamerikanischen Ländern waren die Vorschriften viel strenger und die Fahrer mussten sich alle 8 Stunden bzw. in Chile und Peru sogar alle 4 Stunden abwechseln. Naja, wir sind gut angekommen und das wird ohnehin die letzte lange Busfahrt in Südamerika gewesen sein (wir können es selbst kaum glauben). Besonders lobend zu erwähnen ist allerdings, dass alle unsere Busfahrer in Brasilien ausgesprochen kommunikativ waren. Wir wurden immer informiert, wenn es eine Pause gab und unser Busfahrer nach São Paulo hat unseren Mitfahrern sogar mitgeteilt, dass er extra langsam sprechen wird, damit die Deutschen ihn auch gut verstehen können. Das haben wir bei unseren tausenden Buskilometern bisher noch nie erlebt!
In São Paulo kommen wir schließlich morgens um viertel nach sieben an, das ist eine Stunde früher als geplant. Wir fühlen uns fit und sind bereit, uns in den Großstadtdschungel zu stürzen. Deshalb entscheiden wir uns, trotz Rush Hour mit der Metro zu unserem Hostel zu fahren. Das Metrosystem ist super unkompliziert und so sind wir innerhalb kürzester Zeit an der Metrostation in der Nähe unseres Hostels. Der Menschenandrang in der Metro hält sich sogar einigermaßen in Grenzen. Wir hatten mit mehr Hektik gerechnet, immerhin leben in der Metropolregion über 20 Millionen Menschen. Von der Metrostation sind es nur 10 Minuten zu Fuß und da es hell ist, können wir die Strecke zu Fuß gehen. Wir hatten bereits vorher in den Bewertungen unseres Hostels gelesen, dass in der Straße „viele Drogensüchtige und Obdachlose rumhängen“ und sind mental darauf vorbereitet. Oder das dachten wir zumindest! Die Armut, die wir in unserem Viertel erleben, haben wir so noch in keiner anderen Stadt gesehen. Die ärmsten der Armen liegen einfach auf den Bürgersteigen oder in Hauseingängen und immer wieder kommen wir an Ansammlungen von provisorisch errichten Zeltlagern, überwiegend aus Plastikplanen und Pappe, vorbei. Gleichzeitig ist die Polizei an jeder Straßenecke präsent und wir sehen so viele Polizisten, wie noch in keiner anderen Stadt zuvor.
Am Anfang unserer Straße stehen, liegen und sitzen 30 bis 40 komplett verwahrloste Menschen und wir fühlen uns sehr unwohl, als wir an der großen Gruppen vorbeigehen. Das liegt allerdings nicht daran, dass die Menschen für uns gefährlich wären – wir werden nicht eine Millisekunde beachtet und direkt neben unserem Hostel ist eine Polizeiwache und am Anfang der Straße eine Streife postiert. Trotzdem fühlt man sich mit Sack und Pack beladen immer etwas ausgeliefert. Tagsüber ist das Viertel, abgesehen von Taschendiebstählen, sicher. Nach Einbruch der Dunkelheit ist es allerdings ratsam, sich nur per Taxi fortzubewegen, aber das kennen wir nach 13 Monaten Südamerika ja nun aus den Großstädten mehr als gut. São Paulo ist da als Megametropole natürlich keine Ausnahme.
Nachdem wir unser Gepäck im Hostel gelassen haben, machen wir uns direkt wieder auf den Weg. Unser Ziel ist der Mercadaõ Central, wo wir frühstücken wollen. Wir laufen durch unser Viertel und sind erstaunt, wie wenig modern São Paulo hier ist. Kleine Geschäfte in Gebäuden mit abgerockten Fasaden und Straßenstände reihen sich hier aneinander, es herrscht das übliche Getümmel und wir werden mehrmals gewarnt, auf unsere Handys aufzupassen. Das wissen wir längst und sind entsprechend vorsichtig, aber wir finden es sehr sympathisch, dass die Paulistanos die Touristen überall warnen. Als Gringos stechen wir natürlich Mal wieder wie bunte Hunde aus der Menge hervor und andere Touristen können wir hier nirgends entdecken. Auf dem Markt angekommen, entscheiden wir uns für einen kleinen Stand, an dem gerade zwei Polizisten bezahlen. Das ist in der Regel ein Indiz für besonders gutes Essen und bewahrheitet sich auch hier ein weiteres Mal. Wir probieren die berühmten Mortadellasandwiches, für die São Paulo und besonders der Mercadaõ Central bekannt ist. Das Sandwich ist eine echte Wucht und besteht aus 380g Mortadella, getrockneten Tomaten, einer dicken Schicht Käse, Spiegelei und einer leckeren Soße. Wir teilen uns zu zweit eins der riesigen Sandwiches und sind danach pappsatt. Anschließend Schlendern wir ohne Ziel durch das Viertel und kommen am Plaza de Republica und der größten Kathedrale der Stadt vorbei.

Nach dem Mittagessen besuchen wir das Museo de la Memoria, in dem es um die frühere Diktatur Brasiliens geht. Das Museum ist relativ einfach gehalten und wir haben schon deutlich bessere besucht, aber der Eintritt ist immerhin gratis. Nachmittags machen wir uns dann mit der Metro auf den Weg in das moderne Stadtzentrum São Paulos. Die Avenida Paulista ist der Dreh- und Angelpunkt der Finanzhauptstadt Brasiliens. Hier zwischen den modernen Hochhäusern, internationalen Marken und teuren Restaurants, kommt uns unser Viertel wie eine andere Welt vor. Der moderne Teil São Paulos ist, unserer Meinung nach, in weiten Teilen austauschbar, aber es gibt einige Gebäude die architektonisch wirklich interessant sind. Es lohnt sich auf jeden Fall einmal die Avenida entlang zu flanieren. Abends treffen wir uns mit Glycia, die hier in São Paulo lebt und die wir letztes Jahr während ihres Urlaubs in Medellín kennengelernt haben. Gemeinsam fahren wir mit einem Uber in das Stadtviertel Pinheiros, ein bohemes Viertel, das sich zwar im Aufschwung befindet, aber noch nicht übermäßig gentrifiziert wurde. Wir gehen essen und wieder einmal bestätigt sich unsere Vermutung, dass es in Brasilien einfach keine schlechten Caipirinhas gibt. Das Essen ist außerdem auch super lecker und nach dem schönen Abend fallen wir, zurück im Hostel, müde ins Bett.

Am nächsten Morgen gehen wir in einem kleinen Viertel um die Ecke frühstücken. Dieses Viertel ist geprägt von koreanischer Einwanderung und überall gibt es Restaurants und Geschäfte mit koreanischen Schriftzügen. Auch die Menschen sehen hier sehr asiatisch aus. Anschließend machen wir uns auf den Weg zu einer Free Walking Tour im historischen Viertel. Die Tour dauert insgesamt 3 Stunden und während einer kleinen Mittagspause probieren wir ein weiteres traditionelles Gericht aus São Paulo – Coxinha. Die tropfenförmigen, frittierten Teigtaschen sind gefüllt mit Käse und Hühnchen und erinnern uns an die peruanischen Papas Rellenas. Bei der Stadtführung werden wir wieder beständig gewarnt, auf unsere Handys aufzupassen. So oft wurden wir noch in keiner Stadt gewarnt und uns begleitet die ganze Zeit ein zweiter Guide, um aufzupassen, dass sich keine Personen der Gruppe nähern. Der Platz vor der Kathedrale wurde sogar aus dem Programm der Tour genommen, da Gruppen hier zu viel Aufmerksamkeit erregen und es deshalb wohl sehr viele Zwischenfälle mit Diebstählen gab. Wir waren ja bereits am Vortag dort und haben schnell und unauffällig dieses Foto gemacht:

Unser Guide erzählt uns auch, es gäbe offiziell 32.000 Obdachlose und inoffiziell wahrscheinlich noch viel viel mehr. Natürlich sind die Obdachlosen nicht pauschal kriminell, aber Drogenkonsum und die häufig damit verbundene Beschaffungskriminalität verschlechtern die Sicherheitslage der Stadt offensichtlich. Nach der Tour fahren wir mit der Metro in einen weiteren Stadtteil. Vila Madalena ist bekannt für Streetart und besonders eine Straße ist komplett voll mit bunten Graffitis und Murals. Wir haben uns den perfekten Tag für den Besuch ausgesucht – es ist Samstag und es gibt einen kleinen Markt mit Kunsthandwerk, Craftbeer und gemeinsam mit vielen Paulistanos schlendern wir durch das Viertel. Die Sonne scheint und überall gibt es kleine Bars und Restaurants, das Viertel erinnert uns sehr an La Candelaria in Bogota oder Laureles in Medellín.
Nachdem wir uns einen Caipirinha (dieses Mal mit Maracuja und Drachenfrucht) und ein Craftbeer gegönnt haben, fahren wir mit der Metro noch in den Stadtteil Liberdade.
Die Metrostation Japão-Liberdade deutet schon auf die Kultur in diesem Teil São Paulos hin – es handelt sich um das japanisch geprägte Viertel. Wir schlendern durch die Straßen und sehen jede Menge kostümierte Menschen, besonders der zentrale Platz scheint ein Hotspot für Cosplay-Treffen zu sein. Zum Abendessen suchen wir uns eines der zahllosen japanischen Ramenrestaurants aus. Das Essen ist wirklich gut und wir sind begeistert, wie unterschiedlich die verschiedenen Stadtviertel São Paulos sind.

Wir sind sehr froh, dass wir São Paulo nicht übersprungen haben – die Stadt spiegelt Brasilien mit all seinen Problemen und Highlights wahrscheinlich perfekt wieder. Trotzdem freuen wir uns nun nach zwei Tagen Großstadt darauf, in einen kleinen Küstenort weiter zu fahren.