Von Potosis Silbermine und  Boliviens weißer Stadt Sucre

Nachdem unsere Tour in Uyuni zuende war, sind wir, wie bereits im letzten Beitrag erwähnt, direkt weiter nach Potosi gefahren. Wir haben relativ spontan entschieden nicht in Uyuni zu bleiben. Das kleine Örtchen ist ziemlich hässlich und es gibt nichts zu tun. Dafür sind die Unterkünfte dort deutlich teuerer als in Tupiza. Unser Guide Eddy bringt uns, Nacho und Marit also dorthin, wo der Bus nach Potosi abfährt. Wir kaufen unsere Tickets und es geht los. Knapp 5 Stunden dauert die Fahrt durch eine der schönsten Andenlandschaften, die wir bisher gesehen haben. Neben uns türmen sich hohe, schneebedeckte Berge auf und wir schrauben uns, der kurvigen Straße folgend, immer höher. Wir passieren einen Pass auf 5.000 Metern und fahren danach wieder ein gutes Stück hinunter.  Wir behalten die Höhe nun bei und fahren über ein Hochplateau auf knapp 4.000 Metern.

In Potosi angekommen, teilen wir uns ein Taxi mit Nacho und Marit zu deren Hostel im Zentrum der Stadt. Die beiden haben bereits vorab gebucht und da es eines der günstigsten Hostels der Stadt ist, schließen wir uns an. Potosi ist nicht wirklich das Haupttouristenziel Boliviens und so bekommen wir problemlos ebenfalls ein Zimmer. Nach der anstrengenden Tour, freuen wir uns über die heiße Dusche und gehen anschließend  in einem relativ gehobenen Restaurant essen. Wir sind zwar müde, aber es gibt etwas zu feiern: bereits seit einem Jahr sind wir nun schon am Reisen. Unglaublich, wie schnell die Zeit vergeht und wie viel wir in dem einen Jahr gesehen und erlebt haben! Potosi liegt auf 4.100 Metern und ist eine der höchsten Großstädte der Welt. Im 17. Jahrhundert gehörte Potosi außerdem zu den größten und reichsten Städten. Das hatte vor allem einen Grund: direkt hinter der Stadt liegt der Berg Cerro Rico, in dem sich eine der größten Silber- und Zinkminen weltweit befindet. Bereits die Incas bauten hier die wertvollen Rohstoffe ab und die Spanier übernahmen, nach der Einnahme Potosis, schließlich die Macht über die Mine und versklavten die Arbeiter. Heute sind die Arbeiter natürlich keine Sklaven mehr und doch haben wir schon viel vorab über die schlechten Arbeitsbedingungen gehört. Wir sind uns daher noch nicht sicher, ob wir eine Tour in die Mine machen werden. Dazu aber später mehr.

Den ersten Tag in Potosi verbringen wir entspannt und sichern Bilder und Videos der letzten Tage. Mittags gehen wir auf den Markt, auf dem hektische Betriebsamkeit herrscht.  Endlich sind wir wieder in einem Land, in dem alles etwas wuseliger und ungeordneter zugeht. Das hat uns in Chile und Argentinien definitiv gefehlt! Wir schlendern über den Markt, der neben Ständen mit Gemüse, Obst und kleinen Essensständen auch die obligatorischen Fleischstände beherbergt. Hier sehen wir ein in der Hälfte aufgeschnittenes Schaf auf einem Tisch liegen, dessen herabhängende Schnauze gerade von einem Hund abgeschleckt wird. Auch das gehört dazu. Da alle Sitzgelegenheiten der Essensstände voll sind, essen wir in einem kleinen Restaurant um die Ecke zu Mittag. Wir bestellen uns zwei Mittagsmenüs und bekommen Gemüsesuppe, Tallarin Saltado mit Rindfleisch und Wackelpudding für weniger als 2,50€ pro Person. Ann fühlt sich aufgrund der Höhe etwas schlapp, daher machen wir nachmittags nochmal eine Pause im Hostel. Abends erkunden wir dann weiter die Stadt, hier stoßen wir zufällig auf eine kleine Parade aus traditionell gekleideten Tänzerinnen und einer Kapelle. Die Parade findet anlässlich einer Feier zur Ehren des Schutzheiligen der Stadt statt.

Parade zu Ehren eines Schutzheiligens

An unserem zweiten Tag in Potosi macht Max vormittags die Minentour. Ann entscheidet sich gegen die Tour, da sie sich noch nicht fit genug fühlt und mit den engen Gängen ohne Belüftung nicht das Risiko einer Höhenkrankheit eingehen möchte. Vorab haben wir uns umfassend informiert, da wir auf keinen Fall eine Tour machen wollen, die auf dem Leid der Minenarbeiter basiert. Die Plakate diverser Agenturen mit Sprüchen wie „Erlebe den Nervenkitzel der Mine“ oder „Abenteuertour durch ein unterirdisches Labyrinth “ haben uns direkt abgeschreckt. Als wir bei unserer Suche nach einer seriösen Tour auf Freddy treffen, der als ehemaliger Minenarbeiter eine kleine Agentur betreibt, erfahren wir im Gespräch mit ihm bereits jede Menge über die Minenarbeiter und die Touren. Was uns schließlich überzeugt ist, dass am Anfang der Tour ein Markt besucht wird, auf dem Geschenke für die Arbeiter gekauft werden können. Das ist keine Pflicht, aber wir finden es eine schöne Möglichkeit, den Arbeitern mit Kleinigkeiten wie Kokablättern, Kalk (zur besseren Wirkung der Kokablätter) oder auch Schnaps etwas zu geben, was sie sich sonst nicht unbedingt leisten können. Zudem findet die Tour an einem Samstag statt, sodass nur wenige Arbeiter da sind und die Tour nicht die Arbeitsabläufe behindert und so die Arbeit zusätzlich erschwert.

Als Max während der Tour schließlich die Geschenke übergibt, ist deutlich spürbar wie sehr sich die Minenarbeiter darüber freuen. Ja, die Arbeitsbedingungen sind unglaublich hart und das System ist natürlich nicht fair. Die Minenarbeiter haben aufgrund der giftigen Schadstoffe, die beim heutigen Abbau von überwiegend Zink immernoch frei werden, nur eine Lebenserwartung von ca. 50 Jahren. Jährlich sterben zudem bei Unfällen in der Mine im Durchschnitt 40 Arbeiter. Trotzdem würden wir durch das Boykottieren der Minentouren nichts an der Lebensrealität vor Ort ändern. Vorab hatten wir von anderen Touristen das Argument gehört, die Minenarbeiter müssen ihr Schicksal selbst in die Hand nehmen, für bessere Bedingungen demonstrieren und Touristen seien nicht dafür verantwortlich deren Leben mit Geschenken zu verbessern. Ja, das wäre sicher in einer idealen Welt die bessere Variante. Die Realität ist jedoch, dass die Mine von über 250 selbstständigen Kooperativen betrieben wird. Die Stollen gehören unterschiedlichen Personen, die mit ihrer Gruppe von Arbeitern dort die Rohstoffe abbauen. Einige Kooperativen gehen bis zu 3 Kilometer in den Berg hinein. Anschließend werden die Rohstoffe an die großen Minengesellschaften verkauft, die vor der Tür der Mine ihre Verarbeitungsfabriken betreiben. Wenn die Arbeiter streiken, ist die einzige Konsequenz, dass sie nichts verdienen und die Gefahr besteht, dass die großen Minengesellschaften die Rohstoffe an anderer Stelle einkaufen. Die Arbeiter werden nach Kooperativzugehörigkeit und Output pro Stunde bezahlt, die einfachen Arbeiter verdienen dabei durchschnittlich das 1,5 fache des bolivianischen Mindestlohns und können ihren Familien so immerhin einen Lebensstandard mit eigenem Haus finanzieren. Viele der tausenden von Arbeiter kommen aus der ländlichen Umgebung von Potosi, wo dies die einzige Möglichkeit ist, den Lebensunterhalt zu verdienen.

Potosi mit dem Minenberg Cerro Rico im Hintergrund

Einfach kündigen und einen besseren Job suchen, wie in Europa, ist hier nicht möglich und die Minenarbeiter sind auf ihre Arbeit angewiesen. Wir finden, wenn die Touren verantwortungsbewusst und seriös durchgeführt werden, kann der Tourismus an der Stelle schon zu Verbesserungen beitragen. Jose, der Guide der Tour, ist zum Beispiel nur fünf Jahre in der Mine gewesen und verdient nun seinen Lebensunterhalt als Tourguide. Im Vergleich zu noch vor einigen Jahren, haben sich die Arbeitsbedingungen inzwischen schon etwas verbessert und die Arbeiter haben nun zum Beispiel Zugang zu Staubmasken, die immerhin einen Teil der Exposition reduzieren.

Während Max auf der Tour ist, ist Ann in der Stadt unterwegs, um Geld abzuheben und Mittagessen einzukaufen. Bei ihrem Bummel durch das Zentrum probiert sie bei einem Straßenverkäufer unterschiedliche Varianten einer lokalen Süßigkeit. Die traditionellen Snacks sind mit Zucker überzogene Mandeln, Erdnüsse, Pfirsiche oder Haselnüsse. Ann ist begeistert von der Erdnussvariante und kauft direkt eine Tüte. Außerdem findet eine weitere Parade zu Ehren des Schutzheiligen statt, bei der Ann am Straßenrand zuschaut. Dieses Mal tragen die Tänzer und Tänzerinnen kunterbunte Kleider und Anzüge sowie federbeschmückte Hüte. Die Bolivianer scheinen generell gerne zu feiern, zwei Einheimische in Tupiza hatten uns bereits erzählt, dass hier anders als in Argentinien beim Karneval auch ordentlich getrunken wird.

Nachmittags fahren wir weiter nach Sucre. Die Hauptstadt Boliviens liegt mehr als 1.500 m unterhalb von Potosi und der Höhenunterschied wird auf der Fahrt deutlich sichtbar. Vorbei an einem Bergmassiv nach dem anderen geht es bergab. Wir kommen an unzähligen kleinen Dörfern vorbei und sehen immer wieder Frauen, die Kleider und Haare in Flüssen waschen. Als wir nach knapp 5 Stunden schließlich Sucre erreichen, sind wir verwundert, wie wenig hauptstädtisch die Hauptstadt Boliviens ist. Das liegt allerdings daran, dass Sucre nur die konstitutionelle Hauptstadt ist und tatsächlich La Paz als Verwaltungshauptstadt Boliviens fungiert. Bis auf den obersten Gerichtshof sind alle wichtigen Behörden sowie die Regierung in La Paz.

Sucre trägt den Beinamen „die weiße Stadt“ und erinnert uns entfernt an Arequipa in Peru. Neben den weißen Gebäuden im Kolonialstil erinnert uns vor allem die entspannte Atmosphäre an Arequipa. Nacho und Marit sind auch, wie wir, seit heute in Sucre und wir sind wieder im gleichen Hostel. Das Hostel Kultur Berlin wurde uns seit Beginn unserer Reise tatsächlich immer wieder empfohlen und wir sind gespannt, ob es wirklich so gut ist. Das Hostel hat zwei Besonderheiten: zum einen gibt es abends immer Events bzw. der öffentliche Bereich verwandelt sich in einen angesagten Nachtclub (den vor allem Locals besuchen) und morgens gibt es immer ein besonders reichhaltiges Frühstücksbuffet. Den ersten Abend in Sucre verbringen wir also natürlich mit Feiern. Marieke aus unserer Uyuni Gruppe ist auch in Sucre und so gehen wir zu fünft erst in eine Bar mit Happy Hour und dann bei uns im Hostel feiern.

Am nächsten Tag lassen wir es dann entsprechend ruhig angehen. Wir laufen durch das historische Zentrum Sucres und suchen uns ein kleines Restaurant, wo wir Salteñas (die hiesige Empanadavariante) essen. Den Nachmittag verbringen wir damit, Bilder und Videos zu sichern. Abends gehen wir mangels Alternativen Pizza essen. Es ist Sonntagabend und so sind fast alle Restaurants geschlossen.

In Sucre gibt es einiges zu sehen, deshalb widmen wir uns am nächsten Tag, gut ausgeruht, ganz der Erkundung Sucres und schlendern durch die Stadt. Mit den Museen bzw Kirchtürmen mit Aussicht haben wir Mal wieder kein Glück, aber wir finden spontan ein Tattoostudio, das uns gefällt und vereinbaren einen Termin für nächsten Tag. Mittags essen wir ein  günstiges Menü in einem kleinem Restaurant. Der Besitzer ist schon älter, aber sehr daran interessiert, wo wir her kommen und redet mit uns über die politische Situation in Bolivien. Wir haben jetzt schon häufiger gehört, das Evo Morales der ehemalige Präsident in Bolivien selbst nicht ganz so beliebt war, wie es für uns in Europa den Anschein hatte. Er wird im Gegenteil sehr kontrovers gesehen und zumindest gegen Ende seiner dritten Amtszeit scheint die Macht ihm doch ein bisschen zu Kopf gestiegen zu sein.

Nach dem Mittagessen kaufen wir Tickets für den Nachtbus nach La Paz für den nächsten Abend. Leider gibt es keine Möglichkeit tagsüber zu fahren und so die Landschaft zu sehen, deshalb geben wir uns geschlagen und buchen den Nachtbus. Nachmittags machen wir eine Free Walking Tour. Der erste Stopp ist der bekannte Aussichtspunkt Mirador de Recoleta mit einer ganz schönen Sicht über die Stadt. Nach 20 Minuten verlassen wir die Tour jedoch bereits wieder, da der Guide sehr, sehr oberflächlich bleibt und uns direkt in eine Gallerie schleppt. Nachdem wir nachmittags erneut erfolglos mehrere Aussichtstürme von Kirchen angesteuert haben, die immernoch geschlossen sind, stoßen wir zufällig auf  den Mirador San Miguel. In dem ehemaligen Kirchturm befindet sich nun ein Café mit toller Aussicht über Sucre und die markanten  Terracotadächer. Wir gönnen uns einen Latte Macchiato und einen Frapuccino, bevor wir anschließend zurück zum Hostel gehen. Abends treffen wir uns mit unserer Uyuni Truppe auf ein paar Bier auf der Dachterrasse unseres Hostels. Wir werden alle mehr oder weniger gleichzeitig in La Paz ankommen und uns dort wiedersehen.

Aussicht vom Torre San Miguel

Den nächsten Morgen verbringen wir mit dem Besuch des Museums Casa Libertad (tatsächlich Mal ein offenes Museum, juhu!). Wir haben doppelt Glück und erleben neben einer außergewöhnlich guten Führung auch noch die Vorstellung einer indigenen Nation. Der bolivianische Staat, offiziell Plurinationale Republik Bolivien, erkennt 36 verschiedene indigene Völker als eigene Nationen an. Heute sind ca. 30 Angehörige der Yampara Nation im Museum und präsentieren ihre Kultur und ein Ritual zum Ende der Karnevalszeit. Das Ritual besteht aus einem Tanz und dem Verbrennen von Symbolen als Gabe an Pachamama, dazu gibt es noch einen Schluck Chicha (vermentiertes Mais oder Yucca) aus einem hölzernen Gefäß. Der Tanz der Yampara wird begleitet vom lauten Rasseln der unzähligen Glocken, die an den Schuhen der Yampara befestigt sind. Diese Tradition stammt noch aus kriegerischen Zeiten, in denen die Yampara durch das laute Rasseln Gegner einschüchterten.

Mittags gehen wir schließlich auf dem zentralen Markt essen, bevor wir unseren Tattootermin wahrnehmen. Danach holen wir schnell unser Gepäck aus dem Hostel und machen uns auf den Weg zum Busterminal. Das gestaltet sich als überraschend schwierig, da es ausgerechnet in dem Moment wie aus Eimern schüttet und keine Taxis verfügbar sind. Vor unserem Hostel hat sich zudem in der Rush Hour ein Stau gebildet. Nach einigen Versuchen schaffen wir es, ein Taxi zu bekommen und kommen pünktlich am Terminal an. Dort müssen wir noch unsere vorab bezahlte Rechnung in ein Ticket umtauschen und natürlich noch warten, weil der Ticketverkäufer nicht da ist. Da wir auch noch etwas zum Abendessen besorgen müssen, schwärmt Ann in Mission Essenssuche schon Mal aus. Während sie noch unterwegs ist, kommt der Ticketverkäufer hektisch zurück und hetzt Max mit dem Gepäck schon Mal zum Bussteig. Als Ann schließlich, nach einigen erfolglosen Versuchen und nach einem kleinen Plausch mit der Hamburgerverkäuferin, mitsamt der lecker duftenden Ausbeute zurück zum Ticketbüro kommt, ist Max weit und breit nicht zu sehen.

Yampara Nation

Nach einem Jahr in Südamerika hat Ann den Tranquilomodus jedoch schon zu sehr verinnerlicht, um sich darüber Sorgen zu machen und so macht sie sich auf den Weg ins Terminal um den Bus zu suchen, als ihr Max auch schon entgegenkommt. Das Gepäck ist kurzzeitig bei zwei anderen Backpackern geparkt, die mit Max schon auf der Minentour in Potosi waren. Irgendwie klappt es letztendlich immer und so futtern wir zufrieden unser Abendessen, während wir darauf warten, dass der Bus nach La Paz abfährt. Wir haben eine kleine Verspätung, da eine Frau wehement fordert, der Bus solle noch weitere 5 Minuten warten, bis ihr Mann ankommt. Schließlich einigt man sich auf eine Straßenecke an der er zusteigen kann – irgendwie klappt es eben tatsächlich immer…

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