La Paz und Titicacasee

Unser Nachtbus nach La Paz ist tatsächlich ziemlich neu und mit seinen Sitzen, die sich zum Bett umfunktionieren lassen, sehr bequem. Leider kann die Strecke in Sachen Bequemlichkeit nicht mithalten. Es gibt auf den knapp über 500 km und 11 Stunden sehr viele Kurven und Schlaglöcher, die uns durchschütteln. Max lässt sich davon nicht stören und schläft super, Ann dieses Mal leider nicht so sehr. Es reicht aber, um den folgenden zugegebenermaßen nicht sehr stressigen Tag zu überstehen. Am Busterminal nehmen wir uns ein Taxi zum Hostel und sind zwar erstaunt über den hohen Preis, der verlangt wird, aber zu müde um viel zu handeln. Wir einigen uns also auf 25 Bolivianos (ca 3,50€) und los geht’s. Soweit zumindest die Theorie. In der Praxis sind die gesamten eineinhalb Kilometer Fahrt ein einziges Stopp and Go bergauf und bergab. La Paz ist völlig überfüllt, wuselig, laut und es stinkt nach Abgasen. Herrlich, so haben wir wirklich wieder das Gefühl in einer ganz anderen Kuktur gelandet zu sein. Der Fahrer findet es nicht so toll und will uns 300m vor dem Hostel rausschmeißen. Also wird nochmal nachverhandelt, immerhin zahlen wir jetzt nur 20 Bolivianos. Im Hostel angekommen, können wir noch nicht einchecken, aber schonmal unsere Sachen lagern. Befreit vom Gepäck suchen wir uns ein Café in der Nähe und gönnen uns ein leckeres Frühstück, wie wir es nach Nachtbusfahrten oft machen. Es gibt den besten Kaffee seit langem und dazu ein köstliches Schokoladencroissant. So kann man es aushalten, also lassen wir entspannt auf der gemütlichen Couch die Zeit verstreichen. Vor dem Check-in im Hostel gehen wir noch zum Büro eines Bergführers, mit dem Max in einer Woche den Huayna Potosí besteigen möchte. Ein Gipfel über 6000m reizt ihn schon länger und hier möchte er sich diesen Traum erfüllen. Der Guide ist nett, also bucht Max die Besteigung und probiert auch direkt die Ausrüstung an. Anschließend tingeln wir durch die Straßen voller Souvenirläden zurück zum Hostel, um endlich unser Zimmer zu beziehen.

Nachdem das erledigt ist, stürzen wir uns zum ersten Mal richtig ins Getümmel der höchsten Metropole der Welt. Über die belebte Touristenmeile mit Souvenirshops, Restaurants und den berüchtigten Hexenmarkt (mehr dazu später) geht’s zum Mercado Rodríguez. Das soll einer der größten Märkte des Innenstadtbereichs sein und der Hauptgrund, warum es hier keinen Supermarkt gibt. Die Menschen hier gehen lieber direkt beim Erzeuger einkaufen und jeder hat einen Lieblingsstand. Die größtenteils traditionell gekleideten Verkäuferinnen bieten zwar alle das selbe an, aber den Stammkunden wird meist das Beste zum besten Preis angeboten. Den Stammkundenstatus muss man sich aber mit zahllosen Gesprächen hart erarbeiten. Ein bisschen wie ein Friseurbesuch bei uns. Tatsächlich fühlen wir uns schon wie auf einem Markt, als wir über die Türschwelle unseres Hostels treten. Die ganze Stadt scheint ein einziger Markt zu sein. Überall stehen kleine Buden mit Süßigkeiten und Getränken, aber auch einzelnen Drogerieprodukten herum. Hinzu kommen einige Stände voller bunter Plastikwaren und Avocadoverkäuferinnen, die ihre Schubkarren mit den riesigen grünen Früchten einfach an einer Ecke abstellen.

Als wir letztlich den richtigen Markt erreichen, merkt man es aber doch. Die Stände mit Waren aller Art nehmen in ihrer Dichte allmählich zu und letztlich erreichen wir ein großes aber unscheinbares Gebäude. An einem Eingang weist ein großes Schild darauf hin, dass sich dort die Essensstände für Mittagessen befänden, also begeben wir uns direkt dort hinein. Sofort umfangen uns die verschiedensten Düfte von den vielen Ständen, an denen die bunt gekleideten Frauen die verschiedensten Gerichte in ihren großen Töpfen zubereiten. Wir schauen uns kurz um und entscheiden uns für einen Stand, an dem es für 10 Bolivianos bzw. 1,40 € ein Menü aus einer Sopa Chairo und entweder ein Stück Rindfleisch oder Chorizo mit Beilagen gibt. Die Suppe ist traditionell bolivianisch und besteht aus den gefriergetrockneten Kartoffeln der bolivianischen Anden, den Chuños, Bohnen und verschiedenem Gemüse sowie Rind- oder Lamafleisch. Nach diesem leckeren Auftakt kann die Chorizo aus dieser Region leider nicht ganz mithalten. Max bewertet sie als eine der schlechteren in Südamerika. Satt gehen wir wieder in Richtung Hostel. Nach einer längeren Siesta stellen wir abends fest, dass wir vergessen haben, dass hier eher mittags auswärts gegessen wird und wir besser etwas für abends hätten kaufen sollen. Also müssen wir wohl oder übel in einem der teureren Restaurants in der Nähe des Hostels essen gehen. Aber lecker sind die Nudeln und der Hamburger immerhin.

Kiosk in La Paz, Bolivien

Am nächsten Morgen brechen wir nach dem Frühstück direkt auf zum ehemaligen Hauptbahnhof der Stadt. Unterwegs müssen wir einige Straßen überqueren, was stets die volle Aufmerksamkeit und gutes Timing aufgrund des Verkehrs erfordert. Das ständige Auf und Ab bei der hiesigen Höhe von knapp unter 4000m ist durchaus anstrengend und auch die teils dichten Autoabgase helfen nicht. Am Bahnhof angekommen besteigen wir die Seilbahn, die hier wie in Medellin Bestandteil des öffentlichen Transportsystems ist. Das ganze ist sehr praktisch, entgeht man doch dem dichten Straßenverkehr und kann schnell zahllose Höhenmeter zurück legen. Das ist nicht schlecht in einer Stadt, die sich nicht nur in einem Talkessel, sondern auch über die umliegenden Berge erstreckt. Von oben sehen wir den riesigen Friedhof und fühlen uns durch die sich an die Berghänge schmiegenden Backsteinhäuser auch an Medellin erinnert. Nur sind die Berghänge hier noch wesentlich steiler, was dem ganzen noch einen dramatischeren Anblick verleiht. Oben angekommen befinden wir uns streng genommen nicht mehr in La Paz, sondern auf einer Hochebene in El Alto. Seit einigen Jahren hat dieser Teil der Stadt, in dem die eher ärmere Bevölkerung lebt, eine autonome Verwaltung. Tatsächlich ist er auch rein geografisch durch die Berge abgegrenzt vo La Paz, das sich im Talkessel und an den Berghängen erstreckt. Wir sind aber weder hier, um uns El Alto anzusehen noch wegen der tollen Aussicht, sondern um uns einen der wichtigsten Wochenmärkte der Stadt anzusehen. Über zahllose Quadratkilometer erstreckt sich zweimal wöchentlich der Mercado 16 de Julio. Hier wird wirklich alles angeboten. Man kann hier alles an Kleidungsstücken finden, was man jemals brauchen wird. In einer anderen Ecke befindet sich ein Open Air Baumarkt. Über Bohrmaschinen und Schutzgasschweißgeräte bis hin zu sämtlichen Baumaterialien für den Hausbau findet sich alles. Ein anderer Straßenzug widmet sich mit Variationen von Getrieben, Motoren, Karosserieteilen etc. ganz dem Automobil. Max ist sich sicher, hier findet man alles, um ein Auto von Null an zusammenzubauen. Während wir so schlendern und staunen, schlagen wir uns mit köstlichen Snacks wie Chorizo im Brötchen (Choripan), Salteñas und kleinen süßen Teigkügelchen, die entfernt an niederländische Poffertjes erinnern, die Bäuche voll. Satt und etwas müde fahren wir mit der Seilbahn wieder zurück zum Hostel und halten eine kurze Siesta.

Fast verpassen wir sogar, rechtzeitig loszugehen, um an einer Stadtführung um 14 Uhr teilzunehmen. Diese beginnt am berüchtigten Cárcel de San Pedro, einem Knast mitten in der Inennenstadt. Dieses Gefängnis ist eine Kuriosität und so erzählt die Führerin sicherlich zehn Minuten lang davon. Zum einen ist das Innere komplett selbst verwaltet durch die Insassen. Die 20 durch den Staat finanzierten Polizisten bewachen lediglich das Haupttor im Schichtdienst. Der Staat finanziert weder Unterbringung noch Essen der Gefangenen und daher hat sich eine lebhafte Ökonomie entwickelt. Es gibt allerlei hier ansässige Produktionsbetriebe, der größte widmet sich wohl der Kokainproduktion. Die reichsten Insassen haben luxuriöse Apartments, während die ärmsten auf der Straße leben. Im Inneren des Gefängnisses gab es früher Touren, die eine andere lukrative Einnahmequelle darstellten. Heute sind diese offiziell verboten, jedoch gibt es immer noch Touristen, die auf inoffizielle Angebote hereinfallen und abgezockt werden. Die weiteren Stationen der Führung sind zum Beispiel der Mercado Rodríguez, in dem wir gestern zu Mittag gegessen hatten; der Hexenmarkt, auf dem Einheimische Zubehör für Opferzeremonien für Pachamama (Mutter Erde) wie mummifozierte Lamababys oder Alokohol kaufen und der zentrale Platz gewidmet dem ersten Freiheitskämpfer Boliviens, Pedro Domingo Murillo, der dem späteren Befreier Simon Bolívar vorausging. Nach der Tour machen wir uns einen gemütlichen Abend im Hostel und essen Brot mit Avocado.

Babylamas und allerlei andere Opfergaben am Hexenmarkt von La Paz, Bolivien

Am nächsten Morgen laufen wir zum Aussichtspunkt Killi Killli. Von hier hat man einen grandiosen Blick über den gesamten Talkessel, in dem sich die Stadt erstreckt. Begrenzt wird die Ausbreitung der Stadt nur durch steil aufragenden Klippen am Ende der Steigung. Oberhalb liegt eine Hochebene, auf der sich die Oberstadt, El Alto, erstreckt und die dann zur Gebirgskette Cordillera Real nochmal ansteigt. Sogar einen der höchsten Berge des Landes, den Huayna Potosí, den Max erklimmen will, könnte man von hier sehen. Heute jedoch umhüllen ihn jedoch leider Wolken. Danach essen wir im nahen Regierungsviertel rund um den Plaza Murillo zu Mittag und stromern anschließend noch etwas durch die Gassen. Nachmittags müssen wir Geld abheben und Max geht zum Friseur. Leider erwischt er einen eher teureren und bezahlt mit drei Euro etwa fünfzig Cent mehr als in Peru. Danach ruhen wir uns im Hostel etwas aus, bevor wir uns später mit Marit, Nacho und Marieke treffen, um Mariekes Geburtstag zu feiern. Die Bars sind zwar für einen Samstagabend sehr leer und wir fragen uns, wo alle Backpacker hin sind, haben aber trotzdem einen witzigen Abend. Sogar einen geheimen, wahrscheinlich illegalen, Pub besuchen wir. Dieser ist aber komplett leer und so halten wir uns lieber an die offiziellen Etablissements.

Blick über La Paz, Bolivien

Etwas zerknautscht fahren wir am nächsten Tag um zehn Uhr mit einem Taxi zum riesigen Friedhof. Von hier fahren die Busse zur Copacabana Boliviens, einem kleinen Touristenörtchen am Titicacasee, dem größten See Südamerikas und nebenbei höchsten befahrenen Gewässer der Welt. Hier auf erneut über 3800m angekommen, gönnen wir uns gegen die Höhenkrankheit erstmal eine Runde Cocatee. Danach wandern wir auf einen nahen Aussichtspunkt, der den Einheimischen als Opfer- und Gedenkplatz dient. Kleine Feuer in Steinnischen zeugen von den kürzlich durchgeführten Ritualen und erinnern uns daran, dass in Bolivien trotz des weit verbreiteten Katholizismus immer noch ein Großteil der Menschen Rituale zu Ehren Pachamamas praktiziert. Sicher ist sicher! Der Sonnenuntergang wird leider von Wolken verdeckt, trotzdem haben wir einen tollen Blick über den See und Copacabana an seinem Ufer. Danach gehen wir Menü essen und sitzen dabei auf einer Terrasse mit Blick auf den See. Dass es kühl wird hatten wir vergessen und so muss Ann ihre Forelle frierend verdrücken, während Max sich an einem traditionell bolivianischen Picque Macho versucht (Pommes mit Huhn, Fleisch, Wurst und einer Art pikanter Paprikasoße sowie Käse). Die anschließende warme Dusche entschädigt fürs frieren und danach geht’s ab ins dank unzähliger Decken warme Bett. Am nächsten Tag lassen wir unsere großen Rucksäcke im Hostel und setzten per Boot über zum Nordende der Isla del Sol, einer großen Insel, auf der die Inka und ihre Vorfahren Opferrituale zu Ehren der Sonne durchgeführt haben. Das hätten wir auch besser getan, begleitet uns doch zunächst noch Regen, aber sobald wir die Insel erreichen wird das Wetter besser. Als wir zu unserer Wanderung über fünfzehn Kilometer entlang der der Insel aufbrechen, begleitet uns strahlende Sonne. Die Wanderung führt uns über mehrere Berge mit toller Aussicht bis auf 4.000 Meter wund durch die Ruinen der ehemaligen Opferstätte von Nord nach Süd. Ganz am anderen Ende erwartet uns ein toller Sonnenuntergang, den wir auf einer Aussichtsterrasse im Dorf Yumani genießen. Die untergehende Sonne beleuchtet die schneebedeckten Berge am Horizont und wir sehen auch endlich den Huayna Potosí! Später checken wir in unserer Unterkunft im selben Dorf ein und essen noch Forelle zum Abend. Wir lassen den Tag Revue passieren und sind uns einig: Die Wanderung war zwar sehr schön, aber unterm Strich ist der See eben nur ein großer See in den Bergen und bietet nicht einmal die tollsten Aussichten auf diese. Also finden wir ihn als Touristenattraktion doch Recht überbewertet und würden bei einer Reise mit nur begrenzter Zeit davon abraten, ihn zu besuchen. Die berühmten Schilfinseln besuchen wir nicht, da diese heute nur noch für Touristen sind. Wir haben aber immerhin gehört, dass die bolivianische Seite, im Gegensatz zu Peru, etwas weniger touristisch sein soll. Am nächsten Morgen geht’s per Boot wieder nach Copacabana und anschließend per Minibus zu unserem nächsten Ziel Tuni, einem kleinen Weiler mitten in den Bergen. Hier wollen wir vor allem wandern und Max möchte sich für die Bergbesteigung akklimatisieren.

Isla del Sol im Lago Titicaca, Bolivien

Zu guter Letzt noch eine frohe Botschaft. Unser Video zu Buenos Aires ist endlich fertig:

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