Carretera Austral – Nationalparks und Wanderungen

Nach unserer ersten Nacht im Patagonia Nationalpark wollen wir am Vormittag eine Wanderung in dem geöffneten Sektor Tamango machen. Nach dem Frühstück hört es auf zu regnen und so brechen wir auf. Der Weg führt uns einfache aber schöne 10 km durch die felsige Berglandschaft bis hinunter zum Lago Cochrane. Nach dem ersten Aufstieg haben wir eine tolle Aussicht über den See und die dahinterliegenden Berge. Wir hoffen die ganze Zeit Huemule (Südandenhirsche) zu sehen, aber es bleibt bei den Hinterlassenschaften der Tiere. Ab mittags ist es so sonnig und heiß, dass wir unsere Kleidungsschichten nach und nach ausziehen. Morgens hat Ann noch zwei Paar Socken übereinander getragen – jetzt, nach der Wanderung, sitzen wir mit kurzen Hosen und T-Shirts am Fluss. Wir nutzen die Gelegenheit und waschen unsere Wäsche im Rio Cochrane. Die Sonne in Kombination mit einer leichten Windbriese lässt die Wäsche in Lichtgeschwindigkeit trocken und wärmt uns angenehm. Beim Abendessen genießen wir wieder den Blick von der Picknickbank neben unserem Zelt und gehen früh ins ins Bett.

Auch am nächsten Morgen beim Frühstück können wir wieder unseren Zeltplatz mit dem Premiumblick in der Sonne genießen. Nach dem Spülen treffen wir den Ranger des Sektors und er erzählt uns davon, wie in der Region immer wieder Pumamütter mit ihren Jungtieren über Schafherden herfallen und mitunter über 20 Schafe in einer Nacht reißen können. Das dient den Pumas als Training, um dem Nachwuchs Jagdtechniken beizubringen. Gefressen werden die getöteten Schafe von den Pumas dann allerdings nicht. Die Diskussion über den Schutz von Pumas oder Schafen in Chile scheint uns vergleichbar mit der deutschen Debatte zu Wölfen. Wir machen uns wieder auf den Weg. Bevor wir Cochrane verlassen, kaufen wir jedoch noch kurz in einem kleinen Dorfladen ein. Bananen und alles andere sind hier deutlich teurer als noch in Puerto Montt und wir sind wieder einmal froh, dass wir fast alles für die gesamte Zeit vorher eingekauft haben.

Auf der Weiterfahrt nach Rio Tranquilo fahren wir wieder entlang des immer noch unwirklich türkisen Rio Baker. Obwohl es nun bewölkt ist, schimmert das Türkis wie an einem Sonnentag. Wir machen heute Mittagspause mit Blick auf den Rio Baker im keinen Dorf Puerto Bertrand. Danach steht uns der Sinn nach einem kleinen Abstecher in Richtung Argentinien. Wir biegen kurzerhand von der Carretera Austral ab und nehmen die Straße nach Chile Chico. Nach etwa 40 km entdecken wir das Schild zu einem Wasserfall. Wir parken und wandern das kleine Stück zu dem Wasserfall Los Maquis. Er ist unerwartet schön und wäre andernorts sicherlich eine Riesen-Attraktion. Allerdings hängen über dem Pfad einige Plakate, die dafür plädieren, dass der Wasserfall für alle erhalten und kein Damm gebaut werden soll. Auf dem Rückweg zur Carretera Austral begegnen uns immer wieder Teilnehmer einer Oldtimer-Rally mit verschiedensten Autos und unterschiedlichsten europäischen Kennzeichen. Wir vermuten, dass dahinter ein Club verrückter Millionäre steckt, die das nötige Kleingeld haben, ihre Oldtimer  nach Chile fliegen zu lassen und auf den Schotterstraßen zu strapazieren. Der Rest der Strecke führt uns wieder entlang des Lago General Carrera – nun da wir auch auf der anderen Seite gewesen sind, können wir die schieren Ausmaße des Sees so langsam greifen.

Nach unserer Ankunft in Puerto Rio Tranquilo entscheiden wir spontan, um 17:30 Uhr noch auf eine Bootstour zu den bekannten Marmorhölen bei Puerto Rio Tranquilo und Puerto Sanchez zu starten. Eigentlich wollten wir das erst am nächsten Tag in Angriff nehmen und uns nur schon mal über die Preise informieren, aber das Wetter ist so gut und für den nächsten Tag ist starker Wind gemeldet. Noch dazu bekommen wir ein unschlagbares Last-Minute-Angebot, sodass wir für die längere Tour den Preis der kurzen Tour zahlen. Die Marmorhölen sind wie erwartet wunderschön. Die Felsformationen Capilla und Cathedrale sind beeindruckend und das türkise Wasser und der Marmostein bilden tolle Kontraste.

Felsformation Kathedrale

Der Kapitän lenkt das  kleine Boot geschickt durch die schmalen Höhlen. Ein Kondor sitzt auf einem der Felsen, hoch über dem Lago General Carrera. Bei unserer Rückfahrt zum Anleger in Puerto Rio Tranquilo peitscht uns eiskalter Wind um die Ohren. Die Wellen erinnern eher an Meereswellen und nicht an einen See. Die Nacht verbringen wir in einem kleinen Hotel, wir genießen sehr die angenehme Wärme des kleinen Heizofens in unserem Zimmer.

Marmorhölen bei Rio Tranquilo

Am nächsten Morgen unternehmen wir einen weiteren Abstecher zum Gletscher Exploradores, der ungefähr 65km von Puerto Rio Tranquilo entfernt liegt. Wir genießen die Fahrt über den Seitenarm der Carretera und bestaunen unzählige Wasserfälle und riesige hängende Gletscher. Dabei holpern wir durch tiefe Schlaglöcher auf der unebenen Schotterpiste, aber inzwischen kennen wir unseren treuen Offroad-Polo schon in und auswendig. Auch bei dieser Strecke ist für uns einmal mehr der Weg das Ziel: nachdem wir die Umgebung ausführlich genossen haben und nach einer kurzen Mittagspause, machen wir uns auf den Weg zurück zur Carretera Austral. Wir fahren weiter bis Villa Cerro Castillo und wenig überraschend sind Abschnitte der Straße auf dieser Strecke immer noch die schlechtesten der kompletten Carretera Austral. Kurz vor unserem Tagesziel fängt dann der Asphalt wieder an und wir müssen uns erstmal wieder daran gewöhnen keine lauten Fahrgeräusche zu hören. Am späten Nachmittag kommen wir in Villa Cerro Castillo an und bauen unser Zelt auf dem Campingplatz auf.

Nach einer ruhigen aber kalten Nacht machen wir uns am nächsten Morgen auf den Weg hinauf zum Fuß der Berge Cerro Castillo, Cerro Palo und Cerro Sahne Nuss (Chocolate). Eigentlich wird eine andere Wanderung zu einer Lagune auf der anderen Seite des Cerro Castillo überall gehyped, aber dieser Wanderweg ist aufgrund von Schnee und Eis am oberen Ende noch geschlossen. Einige Touris wollen sich das symbolische Bild vor der Lagune trotzdem nicht entgehen lassen und klettern über das geschlossene Tor des Wanderweges. Da der Pfad ein Geröllfeld kreuzt, das an dem windigen Tag den Windböen komplett ausgesetzt ist, hören wir von vielen, die aufgeben und vorher umkehren. Wir sind dafür umso glücklicher mit unserer alternativen Wanderroute und sind uns sicher, dass diese ebenso einen Status als Wanderhighlight verdient hat. Es lohnt sich immer wieder zu schauen, welche weniger ausgetretenen Wanderungen es links und rechts der berühmten Zugpferde der Wamderregionen gibt.

Wanderung Cerro Castillo Nationalpark

Unsere Alternativroute ist ein echter Glücksfund – der Wanderpfad im Nationalpark Cerro Castillo führt uns über 10 km und 900 Höhenmetern hinauf zum Campamento Neozelandes. Wir tauchen ein in dichten, grünen Wald, nur um kurz drauf auf der anderen Seite auf einem Felsgrad wieder ausgespuckt zu werden. Der Weg ist gespickt mit Ausblicken auf die schneebedeckten Gipfel, aber den besten Ausblick hebt sich die Wanderung für ein fulminantes Ende auf. Hinter dem Campamento Neozelandes, das nur aus ein paar Picknickbänken besteht, erreichen wir eine Ebene, die auf 3 Seiten von den hohen Berghängen eingekesselt wird und wie ein Tal wirkt. Besonders prägnant sticht hier natürlich der bekannte und namensgebende Burgzackengipfel des Cerro Castillo hervor. Aber auch die übrigen Gipfel sind nicht weniger markant und beeindrucken uns. Die Wolken ziehen unglaublich schnell an den Gipfeln vorüber und bedecken den sonst blauen Himmel immer wieder mit neuen Formationen, so als wollten sie sich immer wieder mit den Berggipfeln messen. Das Panorama haben wir ganz für uns alleine und wir hören nur das Rauschen des Windes in den Bäumen hinter uns. Wir fühlen uns nach dem Aufstieg noch so fit, dass wir beschließen, noch die wenigen Kilometer weiter bis zu dem Bergsee Laguna Duff zu wandern. Etwa einen Kilometer vor der Lagune drehen wir jedoch um, da wir hier ein exponiertes Geröllfeld hinauf müssen und die Windböen dort immer heftiger werden. Ann hat zeitweise das Gefühl sich hinsetzen zu müssen, um auf dem losen Geröll nicht die Balance zu verlieren. Wir suchen kurz hinter einem großen Felsen Schutz und warten bis die nächste Böe vorüber ist, bevor wir wieder hinuntersteigen und im windgeschützten Wald unser Picknick auf den Bänken im Campamento Neozelandes verspeisen. Auf dem Rückweg zum Ausgangspunkt unserer Wanderung haben wir nun tolle Ausblicke auf das Tal und die Berghänge auf der anderen Seite des Ortes. Nach einem gemütlichen Abend auf unserem Campingplatz und einer noch eisigeren Nacht als zuvor, sind wir froh die 20 km Wanderung als Tageswanderung und nicht mit Übernachtung im Zelt oben in den Bergen durchgezogen zu haben. Schon hier unten ist es morgens immer noch nur 0 Grad und in den Bergen ist nachts ordentlich Neuschnee gefallen. Unsere Schlafsäcke reichen unten gerade noch, aber in den Bergen hätten wir nicht die richtige Ausrüstung gehabt.

Blick vom Fuß des Cerro Castillo zum Gipfel

Von Villa Cerro Castillo fahren wir über Coyhaique, mit kurzem Stopp zum Proviant aufstocken und tanken, zum Nationalpark Queulat. Einen Teil der Strecke fahren wir über eine besonders schöne Nebenstraße der Carretera, das ganze Tal entlang säumen lila Lupinen den Wegesrand. Wir sinnieren, dass die lila blühenden Lupinen für uns der Lavendel Patagoniens sind. Wir sind umgeben von Wolken umwarberten, grünen Bergen und sehen Kondore, Wasserfälle, türkise Flüsse – ihr kennt das inzwischen. Abends wollen wir eigentlich in der Nähe vom Eingang des Quelat Nationalparks wildcampen. Alle Spots sind jedoch eher semi optimal für Zelte, daher steuern wir kurzfristig doch einen Campingplatz an. Der erste Campingplatz verlangt jedoch 10.000 Pesos (ca. 11€) pro Person, das machen wir nicht mit und fahren weiter. In direkter Nähe zum Eingang des Nationalparks finden wir einen Campingplatz für die Hälfte, der dafür deutlich mehr bietet als der erste. Wegen des andauernden Rangerstreiks ist unser Plan, früh morgens im Park eine Wanderung zu machen, bevor die streikenden Ranger ankommen und den Eingang blockieren. Beim Abendessen haben wir einen schönen Ausblick auf den hängenden Queulat Gletscher. Morgens machen wir uns früh zu Fuß auf den Weg zum Nationalpark. Als wir ankommen, stellen wir jedoch fest, dass alles verbarrikadiert ist. Stacheldraht und ein mit Brettern vernagelter Zaun machen das Durchkommen unmöglich. Wir beschließen also die Wanderung sein zu lassen und machen uns auf den Rückweg. Als wir zurücklaufen, kommt uns ein sehr unfreundlicher Ranger im Pickup entgegen. Er droht uns, er wolle die Polizei rufen – warum auch immer, wir waren ja nicht Mal im Nationalpark weil ALLES verbarrikadiert ist. Wir haben schon von anderen gehört, dass die Ranger mittlerweile teilweise deutlich härtere Streikmaßnahmen ergreifen. Am Anfang war der Zugang zu den Nationalparks noch möglich, es waren nur keine Ranger da. Jetzt verbarrikadieren die Ranger die Parks immer mehr und hindern Touristen auch aktiv am Reingehen. Wir sind die Streikkultur in Südamerika ja mittlerweile gewohnt und passen unsere Pläne schicksalsergeben entsprechend an. Kurzfristig entscheiden wir uns daher die gewonnene Zeit für einen Abstecher nach Futaleufú zu nutzen. Der kleine Ort liegt nahe der argentinischen Grenze an einem Seitenarm der Carretera und gilt als chilenische Raftinghauptstadt.

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