Ins kleine Grenzörtchen Futaleufú geht es über einen weiteren Abstecher von der Carretera Austral entlang einer ruppigen Schotterstraße. Belohnt werden wir wieder einmal mit tollsten Ausblicken über schneebedeckte Berge, die im Sonnenlicht funkeln und türkise Seen und Flüsse, die sich neben der Straße erstrecken. Je näher wir der Grenze zu Argentinien kommen, desto höher schlängelt sich die Straße, schließlich liegt Argentinien auf der anderen Seite der Anden, auch wenn sie hier nicht mehr so genannt werden. Das Wasser der Flüsse neben uns wird immer wilder und weißer, Max bekommt richtig Lust aufs Raften. Also suchen wir, kaum im Rafting-Mekka angekommen, ein Büro auf und buchen eine Tour für den nächsten Tag für Max. Ann kneift dieses Mal. Es fröstelt sie schon beim Gedanken an eiskaltes Gletscherwasser. Max verlässt sich auf den gestellten Neoprenanzug und freut sich bei dem Gedanken, vom wunderbar türkisen Futaleufú aus das Bergpanorama bestaunen zu können. Nachdem alles geklärt ist, suchen und finden wir einen traumhaften Spot zum Wildcampen am Ufer eines nicht minder schönen Nebenflusses, dem Rio Espolón. Überall um uns und unser Zelt wetteifern die hellblau bis tieflila blühenden Lupinen mit den knallgelb blühenden Büschen der buchsblättrigen Berberitzen um unsere Aufmerksamkeit. Abgerundet wird das Bild vom türkisblauen und bei näherem Hinsehen glasklaren Fluss und natürlich den obligatorischen schneebedeckten Bergketten. Den ganzen Nachmittag genießen wir die wunderschöne Sonne, die sich von den kleinen Wölkchen am tiefblauen Himmel nicht abhalten lässt. Dabei schlürfen wir ein Glas vom Fluss gekühlten Weißwein. Später geht Max noch baden, bei Ann reicht es nur für eine kurze Wäsche.

Am folgenden Morgen beobachten wir das bunte Treiben rund um unseren Zeltplatz. Anscheinend wird diese Stelle regelmäßig als Bootseinlass genutzt und entsprechend viel Betrieb ist hier am Samstagmorgen. Glücklicherweise sind Chilenen aber Langschläfer und so sind wir längst am Frühstücken, als die ersten Busse und Pickups kommen. Wir packen unsere Sachen kurz darauf wieder zusammen und fahren ins nahe gelegene Reserva Natural Futaleufú, um dort eine kleine Wanderung zum Piedra Ventosa zu machen. Der Aussichtspunkt wird seinem Namen gerecht, es ist ein windumtoster Felsen, der eine herrliche Aussicht über den Fluss und die Berge bietet. Während wir die Sonne genießen, essen wir unsere mitgebrachten Sandwiches (Salami und Avocado – wie jeden Tag auf der Carretera). Nachmittags geht Max raften, während die Warmwasserrafterin Ann es sich in einem Cafe mit Kaffee und Kuchen gemütlich macht. Der Futaleufú bietet Stromschnellen des Grades 4+ und 5, höher geht’s beim kommerziellen Raften nicht. Leider ist der Wasserstand jedoch so hoch, dass die besten Stromschnellen umschifft werden. Alles andere wäre zu gefährlich. Dadurch ist die Tour leider weniger actiongeladen, als Max es sich versprochen hat. Trotzdem gefällt es ihm gut, das Panorama entschädigt doch für so manches. Wir gingen ursprünglich davon aus, dass Max nach dem eisigen Fluss kalt wäre und so so hatten wir unser Zelt auf einem kleinen Campingplatz im Ort aufgebaut, damit er dort warm duschen kann. Zum Glück ist ihm nicht so kalt, wir können aber trotzdem keinen Rückzieher machen und wieder zu unserem idyllischen Platz am Fluss fahren. Also genießen wir trotzdem die heiße Dusche und kochen uns unser Abendessen in der Küche des Campingplatzes. Wir entschließen uns aber dazu, nicht auf dem Platz, sondern am Ufer der direkt gegenüber gelegenen Laguna Espejo beim Sonnenuntergang unsere Nudeln zu verdrücken. So haben wir wenigstens ein wenig das Wildcamping-Gefühl.
Wir fahren am nächsten Morgen bei strahlendem Sonnenschein aus Futaleufú los, kommen aus dem Tal hinaus und befinden uns inmitten eines Regenschauers. Typisch Patagonien. Nach zwei Stunden Fahrt wird uns jedoch klar, dass dies kein Schauer ist, sondern unser erster richtiger Regentag. Wir haben heute nur einige Kilometer zu fahren, daher ist es nicht schlimm. Insbesondere, da wir diesen Abschnitt der Straße auf dem Hinweg bereits bei bestem Wetter genießen konnten. Also fahren wir durch bis zum Nationalpark Pumalin, nur um inmitten des Parks festzustellen, dass die Zufahrt zum Campingplatz unserer ersten Nächte gesperrt ist. Wir haben auch keine Lust, nur um dort schlafen zu können, alle Sachen zu packen und die letzten zwei Kilometer bergauf zu laufen. Also verfluchen wir die CONAF und ihren Streik ein weiteres Mal und drehen wieder um. Es ist mittlerweile 16 Uhr und wir wollen langsam einen Schlafplatz finden. Immerhin ist mittlerweile die Sonne herausgekommen, trocknet den Boden und sorgt für einen warmen Abend. Wir fahren die 30 Kilometer weiter nach Norden in den Ort Chaitén, den Ausgangspunkt unseres Roadtrips. Dort checken wir im WLAN die App iOverlander und finden einen verheißungsvollen Spot an einem nahegelegenen Strand. Dort angekommen sind wir glücklich, wie grandios diese Alternative ist. Eine schöne Wiese am Strand ist der perfekte Zeltplatz, sanft rauschen die Wellen und die Sonne scheint. Die einzige Herausforderung ist die Zubereitung des Abendessens in der steifen Meeresbrise, aber auch das schaffen wir und so essen wir auf einem Stein sitzend, während am Horizont die Sonne untergeht.

Morgens beim Frühstück beobachten wir Eisvögel und Papageien am Fluss, der neben unserem Zelt ins Meer mündet. Zum Abschied schauen wir nochmal aufs Meer und sehen auch noch Seelöwen. Anschließend geht’s weiter gen Norden auf dem Straßenabschnitt, den wir auf dem Hinweg mit der Fähre umschifft haben. An einem Campingplatz des Nationalparks halten wir an, um unseren Platz für die nächste Nacht auszukundschaften. Der Platz besteht aus privaten Picknickhütten jeweils mit einer kleinen Wiese für ein Zelt. Alle Hütten haben direkten Blick auf den Lago Blaco, wir suchen uns also die schönste für später aus und fahren weiter. An einem höher gelegenen Aussichtspunkt packen wir unser Mittagessen aus und erfreuen uns am Anblick des prächtigen Sees unter uns. Dabei unterhalten wir uns mit einem Franzosen, der bereits die Welt zu einem guten Stück beradelt hat und nun die Carretera in Angriff nimmt. Chapeau! An einem anderen Campingplatz hier im Westen des Nationalparks Pumalin starten wir eine zweistündige Wanderung zu mehreren Wasserfällen, die versteckt im dichten Wald liegen. Bis wir die Cascadas Escondidas erreichen, müssen wir aber einige Meter Anstiegs über Stock und Stein überwinden. Uns reicht es allerdings noch nicht, daher machen wir uns später noch auf den Weg in einen kleinen Alercenwald. Diese Bäume sind eines der Wahrzeichen dieses Teils Patagoniens und können tausende Jahre alt werden. Leider gibt es nur noch wenige dieser uralten Riesen, daher ist dieses Waldstückchen etwas sehr besonderes.

Nun stellt sich uns die tägliche Frage des Zeltplatzes. Am See gefiel es uns zwar sehr gut, aber dafür scheint er uns stark mückenverseucht. Also entscheiden wir uns für den Platz, an dem die Wasserfallwanderung begann. Beide Campingplätze sind kostenlos, immerhin eine positive Sache an den Rangerstreiks. Der Campingplatz hier ist außerdem auch sehr schön und bietet ebenfalls private Hütten pro Stellplatz. Wir sind aber ohnehin alleine, also suchen wir uns den besten Platz aus. Hier sollten wir möglichst als erstes Sonne bekommen, damit das Zelt morgens gut trocknen kann. Eine weise Entscheidung, denn erstmal steht uns eine eiskalte Nacht bevor. Selbst morgens zeigt das Thermometer am Auto noch 0 Grad an. Als sich aber endlich die Sonne über die Berge schiebt, bietet sich uns ein tolles Spektakel und es wird schlagartig warm. Als alles trocken ist, fahren wir weiter in Richtung Norden. Zwischendurch wandern wir noch kurz in Richtung Laguna Tronador, bevor wir unser Mittagessen am Rio Gonzalez zubereiten. Dabei genießen wir ein letztes Mal den Ausblick auf türkises und herrlich klares Wasser, müssen aber auch den kalten Wind aushalten. Als es immer voller wird, begeben wir uns auch zum Fähranleger um die Ecke und sind überrascht. Überall warten jetzt Leute, die wie wir die viereinhalbstündige Fähre zwischen Caleta González und Hornopiren nehmen wollen. Hier treffen wir Ángel wieder, den wir in Futaleufú auf dem Campingplatz getroffen haben und spielen mit ihm Karten. Die übrigen 2 Stunden der Fahrt verbringen wir mit dem Beobachten des tollen Sonnenuntergangs über dem Fjord. Mit dem letzten Licht des Tages kommen wir in Hornopiren an, während sich uns ein fantasicher Blick auf den gleichnamigen Vulkan bietet.

Am nächsten Tag wandern wir zum Lago Cabrera, ein schöner türkiser Bergsee mit schneebedeckten Bergen im Hintergrund. Die Wanderung führt uns vorbei am Vulkankegel Hornopiren, einer richtiggehenden Mondlandschaft unmittelbar vor der Laguna und viel Wald. Die 16 km und 490 Höhenmeter lohnen sich! Während der gesamten Wanderung begleiten uns zwei Hunde, sie warten sogar während wir oben Mittagspause machen und kommen wieder mit hinunter. Wir fragen uns, was in den Hunden Südamerikas vorgeht, wenn sie Wanderer einfach begleiten. Wieder unten halten wir in einer kleinen Pastelería und besorgen und ein riesiges Stück Kuchen, das wir am Campingplatz unter der Überdachung essen, während wir den Regen beobachten. Abends treffen wir noch ein deutsches Pärchen in unserem Alter. Sie haben auch gerade ihre Jobs gekündigt und sind wie wir am Reisen. So haben wir viele Gemeinsamkeiten und ehe wir uns versehen ist es schon ziemlich spät und wir kriechen in unsere Zelte. Am nächsten Morgen verabschieden wir uns, aber nicht ohne uns zum Silvesterfeiern in Ushuaia zu verabreden. Ende des Jahres am Ende der Welt!

Jetzt brechen leider schon unsere letzten zwei Tage auf der Carretera Austral an. Heute wollen wir von Hornopiren bis kurz vor Puerto Montt fahren. Für die nicht lange Strecke haben wir den ganzen Tag Zeit, da wir nicht mehr groß wandern werden. Wir fahren langsam und planen abends am Nationalpark Los Alerces zu sein, um dort auf dem Campingplatz zu schlafen. Wir fahren gemütlich erst um 11 los, da leider den ganzen Tag nur Regen gemeldet ist. Allerdings nehmen wir nicht die Carretera Austral, sondern eine Nebenstraße entlang der Küste, da hier diese viel schöner ist als die eigentliche Carretera. Wir halten an verschiedenen Stellen, um Delphine und Seelöwen zu beobachten, das Wetter bleibt aber leider unverändert. Also nehmen wir unser Mittagessen auf einer erhöhten Stelle im Auto sitzend mit Blick aufs Meer zu uns. Dabei können wir Seelöwen im Meer unter uns spielen sehen. Wir fahren weiter und kommen um kurz vor 4 in einen Stau mitten im nirgendwo. Wir hatten schon gehört, es können hier zu einem Stau aufgrund eines Streiks kommen. Natürlich, was auch sonst? Wir zählen den siebten Streik in neun Monaten. Eine Statistik, die wir nicht gebraucht hätten. Dieses Mal sind es Lehrer, die in dem Dorf hier mehr Gehalt fordern und dafür die einzige Brücke weit und breit blockieren. Max nimmt es mit Humor, Ann wartet ungeduldig, dass es weiter geht. Die Chilenen um uns herum sind auch genervt. Alle verstehen zwar den Wunsch nach Verbesserung, aber warum blockieren die Streikenden nicht einfach Mal die Garagen von Leuten, die etwas zu entscheiden haben? Nach über einer Stunde lassen die Streikenden dann den Verkehr abfließen. Das ging einigermaßen, wir hatten schon mit Schlimmerem gerechnet. Als nächstes müssen wir eine kurze Fähre von Caleta Puelche nach La Arena nehmen, hier stauen sich natürlich erneut alle Autos. Nach etwa zwanzig Minuten Warten geht’s aber weiter. Auf der anderen Seite befindet sich der Nationalpark. Leider kommen wir jedoch die Straße zum Campingplatz an einer Stelle nicht weiter, hier liegen zu viele große Steine. Die übrigen Campingplätze hier sind uns aber zu teuer, daher fahren wir zu einem Wildcampingspot kurz vor Puerto Montt. Hier haben wir zwar einen Blick aufs Meer, allerdings sind hinter uns direkt Häuser. Die Zivilisation hat uns wieder. Uns gefällt es nicht so richtig, allerdings sind wir natürlich verwöhnt. Wir trinken erstmal ein Bier, da wir unser Zelt noch nicht aufbauen können. Um uns herum stehen nämlich noch viele Autos mit Locals, die das gleiche machen und Sonnenuntergang schauen. Wir hoffen, dass es bald ruhiger wird. Als es dunkel ist, fangen wir an zu kochen, aber ein älterer Anwohner macht uns darauf aufmerksam, dass in der Gegend häufiger Autoscheiben eingeschlagen werden und er uns davon abrät hier zu kochen und zu schlafen. Er lädt uns ein, bei ihm drinnen fertig zu kochen, das lehnen wir aber dankend ab, da wir einen neuen Schlafplatz suchen müssen. Inzwischen ist es halb 10. Alle Hostels in der Stadt sind ausgebucht oder existieren nicht mehr. Puerto Montt ist eine große Stadt, deshalb gibt es auch keine weitere Wildcampingmöglichkeit. Die einzige in Frage kommende Stelle in einem Wald Nähe beim Flughafen existiert nicht mehr, da der Wald einer riesigen, matschigen Baustelle gewichen ist. Inzwischen ist es 23 Uhr und Ann hat sich schon damit abgefunden, einfach im Auto zu schlafen. Sie hatte ohnehin damit gerechnet, auf der Carretera bestimmt ein paar Mal wegen der Kälte im Auto zu schlafen und war bisher positiv überrascht, dass es nie nötig war. Also fahren wir nach Puerto Varas (unsere altbekannte Heimatbasis in der Region, hier kennen wir einen Parkplatz, auf dem wir ruhig und sicher parken können). Um halb eins haben wir uns soweit eingerödelt und versuchen zu schlafen. Es ist nicht bequem, aber der Sonnenaufgang direkt am See, an dem wir stehen, entschädigt etwas.

An unserem letzten vollen Tag fahren wir nach Frutillar. Hier gibt es das Museo Colonia Alemana (ein Museumsdorf, das die deutsche Einwanderung in Südchile ab 1850 dokumentiert). Nachmittags gibt es „Kuchen von Tante Lilian“ (eine kleine Bäckerei) am Seeufer mit Blick auf wolkenfreie Vulkane. Danach fahren wir zu einem Campingplatz oberhalb des Örtchens mit Blick auf die Vulkane. Wir liegen den Rest des Nachmittags in der Sonne und streicheln die jungen Hunde, die hier rumrennen. Am nächsten Morgen geben wir unser Auto in Puerto Montt ab und bekommen trotz einiger neuer Kratzer bescheinigt, dass der Zustand einwandfrei ist. Damit ist unser Abenteuer hier leider vorbei und es geht morgen nach einer weiteren Nicht in einem Hostel in Puerto Varas schon weiter nach Argentinien. Es war eine unglaubliche Zeit hier im Süden Chiles! Auch wenn wir in Chile einige Schwierigkeiten hatten, wird dieser Roadtrip uns lange in Erinnerung bleiben und ist sicherlich ein Highlight unserer bisherigen Reise! Die Landschaft im Süden Patagoniens und besonders die Umgebung um die Carretera Austral sind unbeschreiblich!