Über die Grenze nach Ecuador

Die 9,5 Stunden Fahrt werden so unbequem, wie erwartet. Wir sitzen in der letzten Reihe eines Sprinters, dessen verfügbarer Platz dichtestmöglich mit Sitzen zugebaut ist. Max Beine würden hier nicht in den Platz zwischen den Sitzen passen, aber in der letzten Reihe gibt’s ja den Mittelplatz. Das Problem dabei ist, dass man hier jedes Schlagloch viel heftiger spürt als in den vorderen Reihen. Und davon gibt’s leider wieder einige. Die wunderschöne Landschaft der vorbeiziehenden Hochebenen, Canyons und Berge entschädigt dafür allerdings. Nachdem wir den kurvigsten Teil der Strecke durch die Berge hinter uns gebracht haben, wird es zum Glück besser. In Pasto steigt ein Kolumbianer zu, mit dem sich Max die letzten Zwei Stunden bis Ipiales auf Englisch unterhält. David hat vor, ein Auslandssemester in England zu machen und will dafür üben. Dank des interessanten Gesprächs verfliegt die Zeit wie im Flug. Da wir früh los gefahren sind, kommen wir noch im Hellen in Ipiales an und können daher trotz des zweifelhaften Rufs der Stadt die wenigen Meter bis zum Hostel gehen. Zum Abschied unserer Zeit in Kolumbien entscheiden wir uns gegen das obligatorische Brot mit Käse aus dem Supermarkt. Statt dessen gönnen wir uns ein gut bewertetes Restaurant, in dem es leckere Burger gibt. Aber das Essen, obwohl lecker, ist nicht mal unser Highlight hier. Auch das leckere lokal gebraute British Pale Ale (wer hätte gedacht, dass es in dieser Grenzstadt Bedarf nach Craftbier gäbe?!) Ist es nicht. Statt dessen: Der Kellner hält uns für Gringos, die viel essen und gut Trinkgeld geben. Daher setzt er uns in ein Separee im Stil eines Wohnzimmers mit Fernseher und Sofa. Der Fernseher hat sogar YouTube und so gönnen wir uns die neue Folge Neomagazin Royale mit Böhmi, während wir aufs Essen warten. Alles in allem eine echt witzige Erfahrung.

Nach einer, wegen des außerordentlich schmalen Doppelbetts, unbequemen Nacht stehen wir früh auf. Wir treffen uns vor unserem Hostel mit Lukas, einem Österreicher, den wir am Vortag kennen gelernt hatten. Er lässt seine Sachen in unserem Zimmer und zusammen teilen wir uns ein Taxi nach Las Lajas. Dort gibt es eine berühmte Kirche, die pittoresk im gotischen Stil in eine Schlucht gebaut ist. Sie ist allerdings nicht nur bei Reisenden beliebt, sondern auch bei Pilgern. So ist es trotz der frühen Stunde bereits sehr voll, denn es ist der Beginn der Feierlichkeiten der Jungfrau Maria inklusive Messe und Prozession der Kinder.

Santuario Las Lajas, Ipiales

Wieder zurück von dem Ausflug holen wir unsere Rucksäcke und nehmen ein weiteres Taxi zur Ecuadorianischen Grenze. Genau genommen ist dies nur eine nicht sonderlich streng bewachte Brücke. Auf der einen Seite befinden sich die Grenzbehörden Kolumbiens und auf der anderen Seite jene Ecuadors. Ob man sich hier jeweils die Stempel besorgt, ist jedem selbst überlassen. Wir machen dies natürlich, die Ausreise Formalitäten dauern aber auch nicht lang. In Kolumbien müssen wir ca. 10 Minuten warten, bekommen einen Stempel und gehen über die Brücke nach Ecuador. Dort müssen wir uns zunächst das obligatorische Gesundheitsformular besorgen. Online konnten wir es auf Grund von Website-Problemen des Gesundheitsministeriums nicht ausfüllen. Wir müssen zwar zweimal hinschauen, aber die Vordrucke werden tatsächlich in der Frauentoilette verkauft. Eine geschäftstüchtige Klofrau, das muss man anerkennen. 50 Cent ärmer lassen wir uns das ausgefüllte Formular neben der Toilette abstempeln und können damit zur Passkontrolle gehen. Dass wir das Formular nur halbherzig ausgefüllt haben (wir kennen schließlich weder unsere Hostels der nächsten 21 Tage, noch haben wir einen deutschen Wohnsitz), juckt hier niemanden. Corona scheint trotz Maskenpflicht bei der Passkontrolle nach wie vor weit weg. Alles in allem hat uns der Grenzübertritt nur eine Stunde gekostet. Südamerikanische Effizienz!

Weiter geht’s, mittlerweile zu viert, per Taxi nach Tulcán und von dort per Bus nach Otavalo. Der Bus fährt sogar pünktlich ab, spätestens jetzt wird uns klar, dass wir wieder in Ecuador sind. Leider gibt’s nach 5 Minuten Fahrt eine außerordentlich gründliche Polizei- bzw. Zollkontrolle. So kommt es schnell zu einer Stunde Verspätung. Wir kommen dennoch gegen 16 Uhr an und laufen die 1,5 km bis zum Hostel. Auf dem Weg sehen wir nicht nur die Reste des bekannten Marktes, sondern wir erleben auch einen kleinen Kulturschock, sind wir doch mitten in einem Zentrum der indigenen Bevölkerung der Anden gelandet, die kulturell von den offenen und gutgelaunten Kolumbianern doch Recht weit entfernt sind. Das wird nochmal klarer, als wir uns im Hostel beschweren, dass das gebuchte Frühstück doch nicht inklusive ist und Geld zurück verlangen wollen. Uns wird Recht wenig kompromissbereit erklärt, dass dies nicht ginge. So ist das eben manchmal, hier ein großes Fass aufzumachen, brächte auch nichts. Abends treffen wir uns nochmal mit Lukas und wir gehen zusammen etwas essen. Im Anschluss wollen wir auf das heute stattfindende Musikfestival, aber es geht erst um 10 Uhr richtig los und wir sind einfach zu müde. Also fallen wir erledigt ins Bett und lassen unsere Zeit in Kolumbien nochmal Revue passieren. Das Land faszinierte uns mit seinen vielen verschiedenen Landschaften von grünen Regenwäldern über karge Hochebenen und verschiedene Wüsten bis zur wunderschönen Karibikküste. Auch die vielen Menschen, die wir hier kennengelernt haben, lassen uns gerne an unsere Zeit zurückdenken. Generell die Menschen, sie machen Kolumbien zu etwas Besonderem, sind sie doch stets für eine Überraschung gut mit ihrer Lebenslust und Offenheit trotz der schwierigen Geschichte des Landes. Die Leichtigkeit des Lebens, die die Menschen verkörpern ist zwar meistens ansteckend, zeitweise aber auch anstrengend, mündet sie doch des öfteren in einer Unverbindlichkeit, die es dem Reisenden schwer macht, korrekte Informationen zu bekommen. Auch arbeiten viele Menschen nur gerade soviel wie nötig. Das finden wir zwar aus nachhaltigen Gesichtspunkten und wegen der Maximierung der Lebensfreude verständlich, jedoch funktioniert dadurch so mancher touristischer Service nicht zuverlässig, wie wir immer wieder erfahren durften. In diesen Momenten passte für uns das kolumbianische Lieblingswort, das wir uns auch zu eigen gemacht haben: „Tranquilo“. Das bedeutet so viel wie ruhig, lässt sich aber vielleicht auch treffender übersetzen mit einem schönen Sprichwort: „Et hat noch immer jut jejange.“ Wir werden definitiv wiederkommen, denn es gibt noch viel zu entdecken. Damit ihr auch nochmal an der Zeit teilhaben könnt, gibt’s hier den ersten Teil unseres neuen Videos zu Kolumbien:

Unser neues Video zu Kolumbien

Am nächsten Tag lassen wir den Sonntag Sonntag sein. Wir schlendern zu einem Café und gönnen uns ausnahmsweise ein richtiges Frühstück mit Eiern, Kaffee und Co. Danach ziehen wir in ein günstigeres und wesentlich besseres Hostel um. Es ist mit ganz viel Holz gebaut und sieht echt schön aus. Die Wandstickereien im Stil der indigenen Bevölkerung tragen zum Flair bei. Außerdem gibt’s Trinkwasser umsonst. Das ist zwar immer eine schöne Abwechslung vom selbst aufbereiteten Kranwasser, aber besonders jetzt freuen wir uns, schmeckte das Kranwasser in Ipiales doch wirklich scheußlich. Wir schlendern auch ein wenig im Ort umher, jedoch finden wir ihn nicht besonders hübsch. Mutmaßlich sind wir von den tollen Orten im Kolonialstil aus Kolumbien etwas verwöhnt. Allerdings gibt’s hier überall leckeres Hornado, das wir noch von unseren Tagen in Cuenca kennen und lieben. Nachmittags beschließen wir mit einem Taxi auf den über der Stadt aufragenden Berg zur dort gelegenen Vogelaufgangstation zu fahren. Dort kann man sich nicht nur die derzeit anwesenden aus der Gefangenschaft geretteten Vögel ansehen, sondern auch die Flugshow vor der dramatischen Bergkulisse bewundern. Am beeindruckendsten ist der Weißkopfseeadler, der aus den Niederlanden kommt. Er heißt nicht nur Gringo, da er das Wappentier der USA ist, sondern hört auch auf den Befehl „komm“ aus dem Niederländischen. Wir staunen nicht schlecht, als der Falkner ihn so ruft. Zurück fahren wir mit einem amerikanischen Pärchen, das sich nicht davon abbringen lässt, das Taxi komplett zu bezahlen. Wir sind Mal wieder erstaunt und glücklich, welch nette Menschen man so trifft beim Reisen!

Gringo der Weißkopfseeadler, Otavalo

Neben dem Markt, für den wohl die meisten Touristen nach Otavalo kommen, und dem Vogelpark ist die Stadt noch für die Laguna Cuicocha bekannt. Dorthin machen wir uns auch auf zunächst per Bus, dann per Taxi, um die ca. 14 km um den Kratersee herumzuwandern. Auf immerhin 3000 m.ü.nN schmeißt uns der Fahrer raus und hier haben wir bereits einen grandiosen Blick über das dunkle Wasser im riesigen Vulkankrater. Das ganze wird dramatisch untermalt von dunklen Wolken, die über den hohen Bergen der Umgebung hängen, als ob sie dort immer drapiert wären. Dieser Eindruck schwindet auch genauso wenig wie die Wolken selbst während der gesamten Tageswanderung. Nur zwischendurch blitzt Mal ein Sonnenstrahl durch die dichte Decke. Aber irgendwie passt das Wetter zur kargen Vegetation. Immerhin bleiben wir vom Regen verschont und so können wir die Wanderung in vollen Zügen genießen. Für uns ist dies eine der besten Tageswanderungen in Ecuador! Nicht zuletzt, da wir weit und breit keiner Menschenseele begegnen. Daher stellt es sich auch als durchaus gut heraus, dass wir mit unserem Taxifahrer eine Uhrzeit zum Abholen ausgemacht hatten.

Laguna Cuicocha, Otavalo

Am nächsten Tag geht’s für uns weiter nach Mindo, der Hauptsstadt für Vogelbeobachter in Ecuador.

Bis zum nächsten Mal, Ann und Max

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Ein Gedanke zu “Über die Grenze nach Ecuador

  1. Ich freue mich immer über eure Schilderungen und das neue video war wieder super. Beeindruckend professionell. Weiterhin euch eine lebhafte Reise mit beeindruckenden Erlebissen und Begegnungen. Alles Liebe von Ricarda,die auch unterwegs ist. Allerdings nur bis Kärnten.

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