Nachdem wir morgens nochmal unseren Hotelpool und die Hängematten ausgiebig genutzt haben, machen wir uns auf den staubigen Weg hinunter in die Dorfmitte von Villa Vieja. Hier nehmen wir ein Colectivo nach Neiva. Wir haben Glück und kommen genau rechtzeitig zur Abfahrt. Nach der einstündigen Fahrt nach Neiva essen wir im Terminal zu Mittag und anschließend geht es weiter Richtung Süden. Vor uns liegen 5,5 Stunden Fahrt nach San Agustín. Die Landschaft ist wunderschön – auf der linken Seite türmen sich Ausläufer der östlichen Kordillere auf und rechts bietet die zentrale Kordillere imposante Ausblicke auf hohe Gipfel. Wir passieren tiefe Canyons und fahren durch das Tal des Rio Magdalena (der längste Fluss Kolumbiens).
Obwohl die Aussicht die ganze Zeit spektakulär ist, sind wir doch froh, kurz nach Sonnenuntergang in San Agustín anzukommen. Schnell kaufen wir noch ein paar Vorräte ein, denn wir wollen die Küche unserer Unterkunft in den nächsten Tagen viel nutzen. Ann wartet mit dem Gepäck neben dem Supermarkt, der auf dem zentralen Platz ist. Vor unserer Ankunft hatten wir gerätselt, ob in dem kleinen Örtchen überhaupt noch etwas geöffnet sein würde. Da hätten wir uns keine Sorgen machen müssen, nicht nur die Läden sind noch offen, sondern der halbe Ort ist auf dem Platz versammelt, wo es laute Livemusik gibt. Wir sind aber noch nicht endgültig angekommen, vom zentralen Platz nehmen wir ein Taxi, das uns den Berg hinauf zu unserer auf einer Kaffeeplantage (Finca) gelegenen Cabaña bringt. San Agustín ist zwar komplett ländlich gelegen und tagsüber sehr idyllisch, bei Dunkelheit ist jedoch die Hauptstraße zu Fuß tabu. Die nächtliche Transportroute der Guerrillas und Drogenkartelle aus dem Süden führt nämlich durch den Ort. Im Umland soll es einige versteckte Labore zur Herstellung von Kokain geben. Aber wie immer gilt auch hier, wenn man sich an die Spielregeln in Kolumbien hält, hat man als unbescholtener Backpacker keinerlei Berührungspunkte mit der Drogenwelt.
Auf dem Gelände der Finca bewohnen wir eine kleine zweistöckige Cabaña und sind sofort verliebt. Die Cabaña aus Lehm und Holz ist super gemütlich und der Balkon mit Hängematte und bequemen Stühlen lädt zum Entspannen ein.
Morgens wandern wir zum archäologischen Park in San Agustín. Hier gibt es unzählige mysteriöse Felsskulpturen, die von der sogenannten San-Agustín-Kultur vor über 2.000 Jahren hergestellt wurden. Bis heute ist nicht abschließend erforscht, woher diese Kultur kam und wie deren Lebensweise aussah. Auch die Bedeutung der Figuren ist nicht vollständig erforscht. Wahrscheinlich ist jedoch, dass mit den Figuren übernatürliche Wesen und Schamane dargestellt werden. Die Stätte in San Agustín diente wahrscheinlich als Begräbnisort für die wichtigsten Personen (z.B. Schamane oder Stammesfürsten) verschiedener Stämme, die ihre Verstorbenen dorthin überführten. Der archäologische Park ist ziemlich weitläufig und wir verbringen gute 2,5 Stunden damit, die verschiedenen Ebenen zu erwandern. Außer den archäologischen Funden bietet der im Nebelwald gelegene Park außerdem auch einfach eine wirklich schöne Natur. Nur der Regen stört ein bisschen, aber nach Wochen ohne Regen wollen wir uns nicht beschweren. Nachdem wir den Park ausgiebig erkundet haben, wandern wir hinunter in den Ort. Dort essen wir zu Mittag und Max probiert endlich das Asado Huilense (lokale Grillart der Region La Huila). Danach kaufen wir noch etwas für abends ein und fahren anschließend den Berg per Taxi hoch, bis zum archäologischen Park. Von hier wandern wir den Rest des Weges wieder zurück bis zur Finca. Den Nachmittag verbringen wir mit Lesen und heißem Tee auf der Terrasse unserer Cabaña. Als die Dämmerung über die umliegenden Hügel hereinbricht und die Kaffepfanzen in der Dunkelheit verschwinden, fangen wir an in unserer kleinen Küche zu kochen.

An unserem zweiten Tag in San Agustín machen wir eine Jeeptour. Unsere erste Station ist der Wasserfall Salto Mortiño, der 200 Meter hoch ist. Die enge Schlucht, in die sich der Wasserfall stürzt, sieht spektakulär aus. Die steilen Felswände sind mit dichtem Dschungel bewachsen und entlang des Wasserfalls fliegen dann auch noch 5 Papageien – es könnte ein echter Traumausblick sein. Aber da die Südamerikaner, wie bereits erwähnt, auf Selfie- und Entertainmentparks jeglicher Art stehen, ist die Schlucht zugebaut mit Schaukeln, bunten Brücken, Plattformen und Ziplines. Nach dem Stopp am Wasserfall fahren wir zu zwei archäologischen Stätten (el Alto de los Idolos und el Alto de las Piedras), wo es noch viele weitere Gräber und Felsstatuen zu sehen gibt. Ein kleines Museum im nahegelegen Dörfchen Obando versorgt den wissbegierigen Besucher dann noch mit weiteren historischen Hintergründen. Anschließend halten wir unterwegs bei einer Panelafabrik, in der aus Zuckerrohr Blöcke von Rohrohrzucker hergestellt werden. Die kleine familiengeführte Fabrik liegt inmitten von unzähligen Zuckerrohrfeldern. Pro Tag werden hier drei große LKWs mit Nachschub an Zuckerrohr verarbeitet. Max darf mit anpacken und die heiße Panelamasse zum Abkühlen in einer riesigen Wanne rühren. Zur Belohnung gibt’s für alle ein Stück süße, noch warme Panela zum Probieren.
Nach dem Besuch der Panelafabrik geht’s zum Estrecho de Río Magdalena, die engste Stelle des Rio Magdalena. Das Wasser rauscht hier durch eine nur 2,20 m breite Engstelle, die 15 Meter tief ist. Bei dem Versuch über die Engstelle zu springen, sind bereits 11 Menschen tödlich verunglückt. In das tosende Wasser möchte man definitiv nicht reingeraten. Auf beiden Seiten des Fluss erhebt sich dichter Dschungel. Nachdem wir heute so einige Geschichten zu Goldsuchern in den hiesigen Schluchten und Flüssen gehört haben, kommt ein echtes Indiana Jones Gefühl auf. Am späten Nachmittag bringt uns unser Guide zurück zur Finca, wo wir es uns beim prasselnden Regen drinnen gemütlich machen.

Morgens am Abreisetag machen wir noch eine Wanderung zu einem Mirador mit Blick über den Rio Magdalena. Am Mirador gibt es auch noch La Chaquira, eine in den Fels gehauene Figur der San-Agustín-Kultur, zu sehen. Die Wanderung dauert nur 2 Stunden, aber ein paar Aufstiege bringen uns doch ins Schwitzen. Auf dem Weg lernen wir außerdem Carlos kennen, der Ausritte auf seinen Pferden anbietet und uns stolz seine Gästebücher mit unzähligen positiven Kommentaren zeigt. Mit Ann fachsimpelt er außerdem über die kolumbianischen Paso Fino Zuchtpferde. Fast erfürchtig erzählt er, dass diese bis zu 20 Millionen Pesos (ca. 5.000€) kosten können, was für hier unwahrscheinlich viel Geld ist. Außerdem zeigt er uns noch, wie er und sein Bruder aus Steinen in mühevoller Handarbeit kleine Steinfiguren als Souvenirs herstellen. In seinem Sammelsurium befinden sich außerdem auch einige kleine antike Keramikgefäße, die er in der Nähe der archäologischen Stätten findet. Wir sind uns nicht ganz sicher, wie das der Zoll sieht, aber da wir eh keinen Platz für Souvenirs haben, stellt sich uns diese Frage nicht. Bis der Bus zurück nach Popayán abfährt, kehren wir noch in einer kleinen Bäckerei ein und gönnen uns ein leckeres Kokosteilchen und typisch kolumbianischen Sandkuchen. Als wir dann zur Abfahrt nach Popayán bereitstehen, erleben wir Mal wieder Locombia vom Feinsten. Weil der Bus schon so viel Verspätung hat, fährt er heute nicht mehr nach San Agustín rein, sondern hält nur an der großen Kreuzung, 6 km unterhalb des Ortes. Also müssen wir drauf zahlen und mit einem Taxi dem Bus entgegen fahren, wenn wir mitgenommen werden wollen… Mit über einer Stunde Verspätung geht’s dann los, aber schon nach kurzer Zeit bleiben wir in einem weiteren Stau stecken. Als es dann weitergeht, erwartet uns eine abenteuerliche Fahrt über eine nicht asphaltierte Straße durch den Nationalpark Puracé. Gute 4 Stunden brettert der Bus pausenlos durch Schlaglöcher und über Bodenwellen. Wir werden in unseren Sitzen auf und abgeworfen und der Bus schaukelt von links nach rechts. Anderswo wäre das eine Offroadpiste. Wir sind uns jedenfalls einig, dass diese Strecke in unsere Top 3 der schlechtesten Straßen kommt.
Wir warten nur darauf, dass wir endlich den Nationalpark durchquert haben und hoffen auf eine bessere Straße auf der anderen Seite. Plötzlich macht unser Busfahrer eine Vollbremsung und springt mit seinem Beifahrer ins Gebüsch. Irritiert schauen alle Passagiere auf der linken Seite aus den Fenstern und wir rätseln, was wohl der Grund für unser plötzliches Bremsmanöver ist… Da zieht der Fahrer aus dem Gebüsch ein Huhn hervor. Als wir uns gerade noch wundern, woher mitten im Nirgendwo ein Huhn herkommt, beratschlagen die Fahrer schon, wie sie das aufgescheuchte Huhn nun am besten transportieren sollen. Wir haben die Situation gerade schulterzuckend als weiteres Locombia-Erlebnis verbucht, da wird es noch verrückter – die Busfahrer haben sich entschieden, dass die beste Transportvariante ein totes Huhn ist. Kurzerhand halten sie das flatternde Huhn nun einfach in die Bustür und lassen diese dann zugehen. Anschließend kommt das tote Huhn in die Gepäckklappe und weiter geht’s. Zu unserer Beruhigung sind nicht nur wir, sondern auch die kolumbianischen Passagiere leicht irritiert. Als wir den Nationalpark hinter uns lassen, wird die Straße schlagartig besser und das weite Páramoplateau entschädigt uns mit einem tollen Blick auf hunderte Frailejones im Sonnenuntergang vor dem Panorama immer dunkler werdender Berggipfel. Nach 7 Stunden Fahrt kommen wir schließlich alle (naja bis auf das Huhn) gut in Popayán an.
Eigentlich wollten wir in Popayán nur eine Nacht bleiben und am nächsten Morgen direkt weiter fahren zur Grenzstadt Ipiales. Als wir in unserem Hostel einchecken, erfahren wir jedoch, dass am nächsten Tag das Gastronomische Festival startet. Nach der anstrengend Fahrt ist das für uns ein Wink des Schicksals und wir entscheiden uns, noch eine weitere Nacht zu bleiben. Am nächsten Tag kosten wir das Festival so richtig aus, neben den lokalen Spezialitäten gibt es auch die bekanntesten Gerichte aus ganz Kolumbien. Abends essen wir auch wieder auf dem Festival und gönnen uns Asado Llanero (Schweinefleisch nach lokaler Grillart gaaaaanz zart gegrillt). Außerdem gibt es noch ein Konzert, Mal wieder mit übertrieben lauter Musik. Nach einer weiteren erholsamen Nacht heißt es dann aber tatsächlich auf zur Grenze.