Während der Fahrt nach Rio können wir Dank des klaren Himmels schon von weitem die weltberühmte Christusstatue sehen, die über der Stadt auf dem Berg Corcovado thront. Auf der anderen Seite sehen wir aber auch die Unmengen an Müll, die in der riesigen Lagune schwimmen, an der die Stadt gelegen ist. Den Fisch, den einzelne Fischer mit kleinen Booten hier aus dem Wasser ziehen, würden wir jedenfalls lieber nicht essen. Aber dazu werden wir später noch mehr lernen. Am frühen Nachmittag kommen wir jedenfalls bei unserem Airbnb in Copacabana an. Steht der Name in der ganzen Welt nur für den Strandabschnitt, so bezeichnet er tatsächlich das gesamte Viertel, das sich parallel zum Strand erstreckt. Interessanterweise ist es eines der günstigsten Viertel für Touristen in der Stadt. Wobei die Stadt insgesamt alles andere als günstig ist, tatsächlich ist unser Airbnb eine der teuersten Unterkünfte unserer ganzen Reise. Leider lässt sich das nicht über die Qualität sagen. Wir haben zwar ein großes Zimmer, aber leider ein sehr schmales Bett. Auch die Vermieterin, die außerdem in der Wohnung lebt, ist ein wenig seltsam und nimmt vor allem viel Raum ein, indem sie den ganzen Tag laut den Fernseher laufen lässt. Aber wir sind ja nicht hier, um viel drinnen rumzuhängen. Also gehen wir die drei Blocks bis zum Wasser und flanieren die Promenade entlang. Mal wieder staunen wir über die Kontraste, die große Städte zu bieten haben: Links stehen hohe Gebäude mit Hotels für 300 Euro die Nacht und rechts wird am Strand Gras und Caipirinha für einen Euro verkauft. Natürlich lassen wir uns von dem Angebot überzeugen und bestellen uns Caipirinhas, die in Brasilien praktisch immer sehr gut schmecken. Während wir in der Beachbar sitzen, entscheiden wir uns spontan, heute ganz traditionell brasilianisch All you can eat Grillbuffett essen zu gehen. Auf Portugiesisch heißt das Rodizio de Churrasco, was natürlich wesentlich besser klingt. Wir reservieren also einen Tisch in einem nahe gelegenen und empfohlenen Restaurant, einer Churrasceria, gehen duschen und wieder zurück zum sehr schicken Restaurant.
Zum Mittag gab’s im Bus nur je zwei Brote, entsprechend hungrig sind wir also. Mit umgerechnet etwa 38€ pro Person ist das Essen alles andere als günstig, bietet allerdings auch den Standard, den man bei dem Preis wohl erwarten darf. Auf dem Vorspeisen- bzw. Beilagenbuffett finden sich Austern, Sushi, Sashimi, Burrata, Carpaccio und noch vieles mehr. Wir machen uns natürlich sofort über die Köstlichkeiten her und müssen schon beinahe aufpassen, uns nicht daran satt zu essen, ist die Hauptsache heute Abend doch das Gegrillte. Dies wird auf langen Spießen nicht nur gegart, sondern auch serviert. Die Kellner gehen mit verschiedenen Stücken vom Rind konstant von Tisch zu Tisch und schneiden frisch von den Spießen das saftig gegrillte Fleisch. Es ist schon beinahe unangenehm, alle zwei Minuten den Kellner wegzuschicken, also beginnen wir noch während wir unsere Vorspeisenteller essen, bereits mit dem Fleisch. Viele Fleischstücke später sind wir pappsatt, aber glücklich, dass wir uns Kohlenhydrate in Form von Sättigungsbeilagen gespart haben. So konnten wir das Buffett und auch das Fleisch wenigstens voll ausnutzen. Leider bekommt das Essen Ann nicht gut und sie bleibt am nächsten Morgen im Bett, während Max zu einer Free Walking Tour aufbricht. Raffael, der Guide, führt die Gruppe durch die Altstadt und erzählt viele interessante Details zur Geschichte. Besonders interessant ist die Unabhängigkeit und Republikwerdung Brasiliens. Die Unabhängigkeit wurde vom portugiesischen Prinzen, der als Gouverneur die Kolonie verwaltete, ausgerufen und niemand musste dafür kämpfen. Der Hintergrund: Natürlich Geld, und zwar die Steuergelder, die er nicht in die Heimat schicken, sondern lieber zum Ausbau Brasiliens als Imperium nutzen wollte. Also rief er sich kurzerhand zum Kaiser aus und trug tatsächlich viel dazu bei, dass Brasilien heute so ist, wie es ist. Einige Jahrzehnte später mussten seine Nachfahren Ende des neunzehnten Jahrhunderts auf diplomatischen Druck hin die Sklaverei abschaffen. Der Elite, die auf diesem System ihren Reichtum gründete, missfiel dies natürlich, weshalb kurzerhand gemeinsam mit dem Militär geputscht und die Republik ausgerufen wurde. In praktisch allen Lateinamerikanischen Ländern liefen beide Prozesse (Unabhängigkeit und Republikwerdung) mehr oder weniger gleichzeitig und mit Hilfe blutiger Schlachten gegen die Besatzer ab.
Nach der Tour geht Max mit dem Guide und zwei anderen deutschen Teilnehmern essen. Dabei lernt er endlich, wie man mit dem bei jedem Essen als Beilage servierten Farofa umzugehen hat. Farofa sieht aus wie Paniermehl, ist aber frittierter und gemahlener Maniok. Das Pulver vermischt man auf dem Teller mit Reis und dem ebenfalls standardmäßigen Bohneneintopf Feijoada. Das ganze schmeckt ziemlich lecker. Anschließend geht Max wieder zu Ann und verbringt den Nachmittag mit ihr. Abends dreht er noch eine Runde, um die Abendstimmung an der Copacabana einzufangen und etwas für das Abendessen einzukaufen.

Am nächsten Morgen geht’s Ann wieder gut. Also fahren wir mit einem Van hoch auf den Corcovado zum Christo Redentor. Wer sich fragt, wieso wir nicht durch den schönen Stadtschungel Tijuaca hinauf laufen, dem seien als unterhaltsame Lektüre die Google Reviews zum Wanderweg empfohlen. Touristen werden auf diesem Weg häufig überfallen. Oben am Fuß der gigantischen Statue angekommen, erleben wir eine spektakuläre Aussicht über die Stadt, wie sie sich zwischen die grünen Berge und das türkise Meer mit den weißen Stränden schmiegt. Auch der Zuckerhut ist super zu sehen, nur leider durch die Seilbahnstation auf seiner Spitze unglaublich verschandelt. Anschließend geht’s per Van wieder zurück. In der Nähe der Haltestelle in Copacabana findet wir ein kleines kneipenartiges Restaurant, in dem wir Mittag essen: Heute gibt’s Picanha de suina, ein typisch brasilianischer Schweinebraten begleitet natürlich von Reis, Bohnen, Farofa und Pommes. Danach schlendern wir zum Nachbarviertel Ipanema. Beim Laufen fällt uns durch die Werbung auf etlichen Heckscheiben auf, dass viele Autos in Rio durch Sicherheitsfirmen überwacht werden. Ipanema gilt aber zum Glück als genau so sicher, wie unser Viertel. Allerdings gibt es hier nicht nur den schöneren Strand als an der Copacabana, sondern auch wesentlich schickere Bars und Restaurants. Am Nordende der Bucht setzen wir uns mit vielen anderen auf einen großen Felsen und bewundern den Sonnenuntergang. Nach dem Spektakel können wir sogar im Dunklen zu Fuß zurück zur Unterkunft laufen, um dort etwas zu essen.

Heute morgen regnet es. Ein perfekter Tag also, um das Museo do Amanha, das Museum of Tomorrow, zu erkunden. Wir nehmen die Metro dorthin und kommen mitten in einem wuseligen Markt aus. Da der Regen gerade sehr heftig ist, schlendern wir etwas über den Markt und warten, bis es besser wird. Danach geht’s die wenigen hundert Meter zum Ufer, wo das Museum liegt. Gigantisch erhebt sich das seltsam anmutende weiße Konstrukt über dem Ufer. Es erinnert ein wenig an eine Flugzeugturbine. Als wir uns dem Gebäude nähern, stellen wir fest, dass auch andere Menschen auf die gleiche Idee gekommen sind. Also müssen wir nach dem Ticketkauf zunächst anstehen, um in die eigentliche Ausstellung zu kommen. Sie beginnt mit einem seltsamen Film, der aber immerhin 360° auf eine Kreisinnenfläche projiziert wird, was technisch interessant aber leider nicht sehr gut gemacht ist. Danach geht es durch die wirklich informative (durchaus tief gehenden) Ausstellungen zu den Themen Kosmos, Erde, Leben und Zukunft. Hier kann man wirklich eine Menge lernen, wenn man sich alles intensiv durchliest. Nur leider sind die Kapazitäten des Museums heute hoffnungslos ausgeschöpft, sodass man je Infotafel doch immer warten müsste. Also lesen wir uns nur zu einigen Themen die Infos durch. Am Ende der Ausstellung dreht sich ein großer Themenblock darum, dass wir als Menschen so nicht weiterleben und die Erde derartig ausbeuten können. Dabei werden die Themen Umweltschutz, Klimaschutz, Müllvermeidung etc. eindringlich angesprochen. Wir haben nur leider das Gefühl, dass die Inhalte die wenigsten Menschen interessieren. Die meisten Besucher sind jedenfalls mehr mit Selfies vor den wirklich beeindruckenden Installationen oder Ausblick auf die Bucht beschäftigt. Dabei entgeht ihnen leider die Information zur riesigen Gefährdung allen Lebens in der Bucht durch die 18000 Liter Abwasser, die Rio de Janeiro pro Minute ungeklärt in die Bucht lässt. Wir jedenfalls entscheiden uns, hier wirklich nicht im Meer zu schwimmen.

Anschließend essen wir an einem Buffett zu Mittag und laufen noch ein wenig durch die Altstadt. Danach geht’s per Metro zum botanischen Garten. Dieser soll sehr schön sein und sogar die Chance bieten, Tucane und Faultiere zu sehen. Doch am Ticketschalter stutzen wir. Unserer Information nach beträgt der Eintritt 15 Reales (knapp 3€). Doch am Schalter auf dem Schild steht tatsächlich 67 Reales. Ungläubig fragen wir am Schalter, ob das stimmt. Nach dem knappen Ja als Antwort drehen wir also auf dem Absatz um und trinken lieber im letzten Licht des Tages einen Caipi an der Copacabana! Abends wollen wir nochmal die YouTube Videos zu Brasilien von indigo Traveller schauen, ein Kiwi, der untouristische und teils gefährliche Gegenden bereist, um das Leben vor Ort darzustellen und mit Klischees aufzuräumen. In seinem Video zu Sao Paulo stellt er einen Bereich der Stadt vor, dessen Straßen von vielen Cracksüchtigen bewohnt werden und der Crackland genannt wird. Wir stutzen, die Straßenzüge kommen uns bekannt vor. Nach einer kurzen Recherche stellen wir dann auch fest, dass wir direkt bei Crackland im Hostel gewohnt haben. Das erklärt zum einen also die vielen Obdachlosen Menschen, die wir dort gesehen haben und zum anderen kommt uns auch eine für das Viertel scheinbar normale Situation wieder ins Gedächtnis, die wir aus unserem Hostel beobachten konnten: An einem Abend gab es einen Polizeieinsatz direkt hinter unserem Hostel und unter unserem Balkon. Zwei Polizisten wollten nur eine Prügelei beenden und sind plötzlich inmitten eines Pulks aus aufgebrachten Menschen. Innerhalb von Sekunden eskalierte die Situation. Da sich aber drei Polizeiwachen in der nächsten Umgebung befinden, kamen schnell etwa acht Polizeiautos angerast und blockierten die ganze Straße. Heraus sprangen etliche Polizisten mit gezogenen Waffen und versuchen den Pulk aufzulösen. Ein Polizist mit Pumpgun wurde tatsächlich angegriffen, er antwortete mit einem Gummigeschoss auf den Angreifer. Im Anschluss beruhigte sich die Situation Recht schnell und die Polizisten nahmen einige der Beteiligten mit in die Autos. So geht es wohl zu in Cracklandia, wenn die Polizei etwas macht, was den Leuten nicht passt.
Am nächsten Tag brechen wir morgens auf zu einer kurzen Wanderung auf den Morro Urca, dem kleinen Bruder des Zuckerhuts. Oben befindet sich die Mittelstation der Seilbahn, die anschließend auf den Zuckerhut fährt. Viele Menschen nutzen also die Gelegenheit hier umsteigen zu müssen, um Fotos vom Zuckerhut zu machen oder um etwas zu essen oder trinken. Es geht hier auf dem Gipfel des Morro Urca nach einer netten Wanderung durch den Regenwald zu wie auf dem Rummel. Wir sind Mal wieder etwas geschockt, aber so ist Brasilien auch. Wie in Iguazu existiert hier zu viel Infrastruktur im Sinne von Bauten, um die Landschaft und den Ausblick so richtig genießen zu können. Ein gutes Beispiel ist die genannte Seilbahn. Die Bergstation auf dem wohl berühmtesten Berg (oder eher Hügel) Südamerikas verschandelt den Anblick komplett. Alle, die gerade keine Selfies machen oder etwas essen, versuchen die kleinen Äffchen, die hier herumspringen, zu füttern. Natürlich trotz der zahlreichen Schilder, auf denen darum gebeten wird, davon abzusehen. Die Tiere sind hier nicht beheimatet und gefährden das Ökosystem, da muss man ihnen nicht noch zu zusätzlichem Futter verhelfen.

Nach unserem Abstieg vom Berg essen wir Käsebrote am Strand und nehmen ein Uber nach Santa Theresa. Das ist ein buntes Künstlerviertel, das leider nicht mehr zu hundert Prozent authentisch, sondern eher touristisch wirkt. Es ist trotzdem sehr pittoresk mit den Streetarts und der alten gelben Straßenbahn, die uns an Porto oder Lissabon erinnert. Außerdem ist heute am Sonntag enorm viel los und in den Bars und Restaurants sitzen nicht nur Touristen, sondern auch etliche Locals. Uns sind die Preise hier jedoch etwas zu hoch, also kehren wir am Fuße der berühmten bunten Treppe in eine Bar ein und finden das Bier mit dem besten Preis/Leistungsverhältnis Brasiliens. Anschließend fahren wir zurück und kaufen ein für ein letztes Mal Gemüsenudeln, um unsere letzten Vorräte aufzubrauchen. Dabei wundern wir uns auch ein letztes Mal über den Plastiktütenwahnsinn in Brasilien. Jedes einzelne Produkt wird in Plastiktüten verpackt und wir müssen uns an der Kasse immer mit Händen und Füßen wehren, damit unsere Einkäufe nicht eingetütet werden. Einen Moment nicht aufgepasst und schwupps ist es passiert. So schlimm haben wir das wirklich noch in keinem Land erlebt. Wieder in der Wohnung kochen wir unser Essen und verschlingen das auf dem Zimmer. Das Wohnzimmer ist nämlich leider blockiert durch den Bridgeabend unserer Gastgeberin. Mit drei Freundinnen betrinkt sie sich munter beim Karten spielen, sodass die eine der älterem Damen später auf dem Sofa ihre Schlafstätte aufschlägt und unsere Gastgeberin bei offener Zimmertür auf ihrem Bett zusammengesunken ist und schnarcht. Scheinbar hatten die vier einen grandiosen Abend!
An unserem letzten ganzen Tag bringen wir morgens unsere Sachen in das Ritz Copacabana Boutique Hotel, in dem uns Anns Eltern zu Weihnachten eine Übernachtung geschenkt haben. Da wir noch nicht auf unser Zimmer können, vertreiben wir uns den Vormittag am Strand an der Copacabana. Auf dem Rückweg zum Hotel kaufen wir noch einige Mitbringsel und bleiben anschließend ganz faul im Hotel. So können wir die Dachterrasse mit tollem Ausblick auf den Zuckerhut aus dem Infinitypool auch wunderbar ausnutzen. Das gleiche machen wir am nächsten morgen mit dem Frühstücksbuffett. Der Blick von unserem Tisch über die Copacabana und den Zuckerhut ist unglaublich. Fast zwei Stunden lang genießen wir die Aussicht und holen uns immer wieder leckere Dinge vom Buffett, bis wir wirklich nichts mehr essen können und Max auch keinen Kaffee mehr verträgt. Die folgenden Stunden, die leider unsere letzten auf dem südamerikanischen Kontinent sind, verbringen wir im Viertel Botafogo. Mittags essen wir dort ein letztes Mal Buffett in einer Mall und anschließend lassen wir uns ein wenig treiben. In einer netten Bar am Straßenrand kehren wir ein uns beschließen unsere tolle Zeit hier mit einem kleinen Bier bzw. einem Guaranagetränk für Ann, auf dessen Geschmack sie in den letzten Tagen gekommen ist.