Ein Liebesbrief an Buenos Aires

Nachdem wir morgens die Fähre von Colonia nach Buenos Aires genommen haben, müssen wir nach der Ankunft am Hafen in Buenos Aires zunächst wieder nach Argentinien einreisen. Die Warteschlange zieht sich durch mehrere Ebenen und windet sich in engen Kurven durch verschiedene Flure. Nach einer Stunde ist es dann geschafft und wir sind alle wieder nach Argentinien eingereist. Anns Eltern dieses Mal allerdings nur für ein paar Stunden, da abends ihr Rückflug nach Deutschland geht. Den Mittag und Nachmittag verbringen wir jedoch noch gemeinsam in Buenos Aires. Mit dem Taxi fahren wir in das Viertel Recoleta, wo wir für drei Nächte ein kleines Apartment gebucht haben. Wir essen in einem Restaurant um die Ecke zu Mittag und bummeln dann durch die Einkaufsstraße des Viertels. Nach einem Abschiedsdrink in einer Cafetería ist es dann Zeit Abschied zu nehmen. Die gemeinsame Zeit beim Roadtrip durch Nordargentinien und Uruguay, ging vorbei wie im Flug und wir hatten eine richtig gute Zeit. Dieses Mal wird die Zeit bis zum nächsten Wiedersehen auch nicht so lange sein, denn im Mai sehen wir uns schon wieder. Für uns heißt es jetzt wieder zurück in den Backpackeralltag.

Wir verbringen die nächsten Tage im Viertel Recoleta und erkunden die Straßen mit den altehrwürdigen Stadtvillen und mondänen Gebäuden. Recoleta ist ein reicheres Viertel mit schicken Boutiquen und old school Cafes, in denen ältere Herren morgens Kaffee und mittags Wein trinkend sitzen. Es gibt außerdem einige sehr gute Bäckereien und Patisserien, die wir ausprobieren. Das Viertel liegt außerdem in Fußnähe zum Obelisken und der betriebsamen Shoppingmeile Florida. Wir stürzen uns ins Getümmel der Florida, um dort Dollar in Pesos zu wechseln. Normalerweise nutzen wir dazu in Argentinien Western Union, aber da ein langes Wochenende bevorsteht, sind die Filialen alle geschlossen. Auf der Florida stehen immer viele Geldwechsler herum, die auf Kundschaft hoffen. In Argentinien gehören die inoffiziellen Geldwechseler fast überall zum Stadtbild, da der Bedarf nach Dollar ungebrochen ist. Der Kontakt mit den Geldwechslern auf der Straße ist dennoch irgendwie immer dubios, aber wir bekommen einen guten Kurs und schaffen es, nicht übers Ohr gehauen zu werden oder Falschgeld zu bekommen. Anschließend gehen wir in der Nähe des Obelisken, in der einer der berühmtesten Pizzerien von Buenos Aires essen. Das Restaurant Güellerin existiert schon seit 91 Jahren und das Essen ist auf Grund der Käsemenge fettig aber exzellent. Nachmittags schlendern wir weiter durch Recoleta. Buenos Aires hat endlos viele schöne Ecken, die geprägt sind durch Gebäude, die munter verschiedene Architekturstile wie zum Beispiel Neoklassik und Barock kombinieren.


Nach drei Nächten in Recoleta ziehen wir um in das Viertel Monserrat. Da Buenos Aires so riesig ist, ist in verschiedenen Stadtvierteln zu wohnen unsere neue Strategie, um die einzelnen Bereiche der Stadt besser kennenzulernen. Die nächsten drei Nächte wohnen wir also an der Grenze zwischen den Vierteln Monserrat und San Telmo und haben so einen perfekten Ausgangspunkt. Von Recoleta aus fahren wir mit der Subte (Metro) nach Monserrat. Hier wohnen wir nur wenige Minuten zu Fuß vom Nationalkongress entfernt. Am nächsten Tag machen wir uns auf den Weg nach San Telmo. Hier ist Sonntags ein riesiger Markt mit Kunsthandwerk und Trödel. Außerdem gibt es jede Menge alternative Stände mit spirituellen Produkten. Ann bekommt direkt eine Beratung zu reinigenden Zeremonien bei Neumond, als sie sich an einem Stand schöne Kettchen anschaut, während Max gleichzeitig am Nachbarstand mit einer Axt liebäugelt. Auf dem Markt in San Telmo gibt es wirklich alles. Nachdem wir quer über den Markt geschlendert sind, treibt uns der Hunger zur Mittagszeit schließlich in die Markthalle. Hier ist es brechend voll und kaum noch ein Durchkommen möglich. Am Eingang der Halle finden wir jedoch einen Platz in einem kleinen Restaurant. Danach schlendern wir weiter über den Markt und finden einen Kupferarmreif für Ann. Der Markt erstreckt sich tatsächlich quer durch das ganze Viertel und ist unterteilt in verschiedene Bereiche. In der einen Straße gibt es Trödel, in der nächsten stellen Künstler ihre Bilder zum Verkauf usw. Hier auf dem Markt sehen wir auch zum ersten Mal Tango auf der Straße und schauen den Tänzern eine Weile zu.

Stadtteil Montserrat

Montag morgens schlendern wir erneut durch San Telmo. Heute, ohne die Marktstände und Menschenmassen, wirkt das Viertel ganz anders und wir haben Zeit die schönen Häuserfronten genauer zu betrachten. Zum Mittagessen gehen wir wieder in die Markthalle, heute ist es auch hier deutlich leerer. Wir lassen uns Zeit und schlendern quer durch die Markthalle. An einem Restaurant bekommen wir direkt zwei riesige Steakstücke zum „Probieren“ auf die Hand. In Deutschland sind Fleischstücke in der Größe fast schon ein Hauptgericht. Das Steak ist tatsächlich überragend und eines der besten bisher. Wir denken jedoch an unser Budget und entscheiden uns für einen günstigeren Stand, der vor allem auf Steaksandwiches spezialisiert ist. Bis unser Essen kommt, haben wir ausreichend Zeit das Treiben zu beobachten, unsere Plätze sind dazu perfekt. So langsam füllt sich die Markthalle doch wieder und wir sind froh, dass wir früh genug da waren. Als unser Essen schließlich kommt, gibt es sogar noch Getränke aufs Haus dazu, weil wir so lange warten mussten. Die Wartezeit hat uns nicht wirklich gestört, aber Getränke aufs Haus sind natürlich immer super. Nachmittags laufen wir dann weiter in den 30 Minuten entfernten Stadtteil La Boca. Hier befindet sich das Stadion La Bombonera, der absolute Tempel für die Boca Junior Fans und ehemalige Heimatspielstätte von Diego Maradona. Anschließend besuchen wir in La Boca die berühmte Straße Caminita. Kunterbunt angemalte Wellblechhäuschen stehen hier  aneinander gereiht und sollen an die Vergangenheit des Stadtteils als Arbeiterviertel erinnern. Heute ist von einem Arbeiterviertel wirklich nichts mehr zu spüren und es geht zu, wie auf einem Jahrmarkt. Straßenverkäufer mit Zuckerwatte, Luftballons oder Spielzeug preisen ihre Produkte an. Die Restaurants und Cafes sind gut besucht und unzählige weitere Menschen tummeln sich auf der kleinen Straße und machen Selfies. Man merkt, dass heute ein Feiertag ist. Der Bereich mit den bunten Häusern ist allerdings schnell durchlaufen und der Rest von La Boca, so warnt uns ein netter Polizist, ist auch heute noch nicht sicher genug, um als Tourist dort herumschlendern. Deshalb machen wir uns auf den Rückweg und laufen in das Nachbarviertel zu der Subte-Station Constitucion, dabei versuchen wir uns an die belebten Straßen zu halten. Von Constitucion, der für Ann schönsten Bahnstation außerhalb der Grand Central in New York, brauchen wir mit der Metro nur fünf Minuten zu der Haltestelle in der Nähe unseres Hostels.

Und weil der Tag noch nicht voll genug war, besuchen wir abends eine Tango Show. Skeptisch, ob wir hier nicht in eine Tourifalle tappen, setzen wir unsere Erwartungen nicht allzu hoch an. Wir haben eine Option mit All you can drink und Vorspeise gebucht und sind freudig überrascht, von der guten Qualität des Weins und der Vorspeisen. Bereits eine Stunde vor der Show können wir Getränke bestellen und so sitzen wir im schicken Restaurant mit Bühne und genießen die Atmosphäre, bevor es los geht. Das Publikum ist sehr gemischt, von Cocktailkleidern bis leger ist alles dabei. Die Show fängt schließlich um 22:15 Uhr an und ist absolut grandios. Die Musik wird live von einem  Quartett gespielt und die Show führt durch verschiedene Epochen in der Entwicklung des Tangos. Vom Beginn des Tangos in den Slums ab Ende des 19. Jahrhunderts bis zur Hochphase, der Revolution des Tangos in den Tanzclubs von Buenos Aires, in den 1950ern gibt es zu jeder Phase Darbietungen. Die Tänzer tanzen durchgehend auf einem Niveau, das (selbst für uns Tangoneulinge erkennbar) deutlich höher ist, als bei den Tänzern auf der Straße. Der Tango ist ein faszinierender Tanz und die Performance im Einklang mit der Musik begeistert uns restlos. Wir entscheiden jedoch beim Salsa zu bleiben, da gibt es für uns sowieso noch mehr als genug zu lernen. Nach der Show fahren wir mit dem Uber zurück, da Monserrat nachts nicht mehr das sicherste Viertel ist.

Am nächsten Tag steht ein weiteres Highlight in Buenos Aires auf dem Plan: es ist Faschingsdienstag und somit der Haupttag des Karnevals auf der Plaza de Mayo. Zunächst ziehen wir aber morgens noch in unsere dritte Unterkunft in Buenos Aires um. Wir sind inzwischen routinierte Subtefahrer und kennen schon die zentralen Stationen und Umsteigemöglichkeiten. Nach dem Umzug machen wir uns auf den Weg zur Plaza de Mayo und kommen genau rechtzeitig an. Der Karneval in Buenos Aires, auch Karneval Porteño genannt, ist ganz anders als der Umzug, den wir in Uruguay gesehen haben. Über die Avenida de Mayo zieht jeweils eine Gruppe durch die Menschenmenge bis auf die Plaza de Mayo, wo eine große Tribüne aufgebaut ist. Die Gruppen  bestehen aus Tänzern, Sängern und Trommlern und das ganze nennt sich hier im Rio-de-la-Plata-Gebiet Murga. Die Tänzer der Gruppen stechen besonders hervor, denn in ihren fransigen Kostümen legen sie skurrile Verrenkungen an den Tag. Auf der Bühne gibt jede Gruppe dann noch eine abschließende Performance mit Gesang zum besten, bevor die nächste Gruppe kommt. Leicht begleitete Sambatänzerinnen, wie in Uruguay, gibt es hier allerdings nicht. Während wir in der Menschenmenge stehen, werden wir und alle um uns herum, immer wieder mit weißem Schaum aus Dosen besprüht. Das ist hier Karnevalstradition und besonders für die Kinder ein riesiger Spaß. Es gibt aber auch einige Erwachsene, die darin komplett aufzugehen scheinen. Die Tradition geht auf deutsche Einwanderer zurück, die den Karneval aus dem Rheinland mitbrachten und mit dem weißen Schaum an den Schnee in Köln erinnerten. Statt Verkaufsständen mit Alkohol oder Essen, gibt es hier nur Stände, die den Schaum verkaufen. Dafür gibt es aber immerhin Stationen, an denen kostenlos Trinkwasser zur Verfügung gestellt wird. Bei der prallen Sonne ist das auf jeden Fall eine gute Sache. Nach einer Weile schlendern wir entlang der mit bunten Wimpeln geschmückten Avenida de Mayo. Hier treten auf der Straße verschiedene Gruppen auf. Erst schauen wir einer Murgaperformance zu und dann bleiben wir länger bei einer Artistik- und Zirkusgruppe stehen. Nach einem spannenden Nachmittag machen wir uns auf den Rückweg.

Nach unserem Umzug am Morgen wohnen wir nun nochmal in Recoleta, unserem Lieblingsviertel. Dieses Mal haben wir allerdings ein Hostel an der Grenze zum Stadtteil Palermo gebucht. Wir verbringen entspannte Tage und schlendern durch Recoleta, Palermo und das kleine Viertel Villa Crespo. Hier erkunden wir den Friedhof Chacarita. Das imposante Eingangsportal lockt die Besucher verheißungsvoll ins Innere und die Mausoleen sind teilweiße tatsächlich noch größer, als die des Friedhofs Sara Braun in Punta Arenas. Wir laufen entlang der Reihen mit den größten Mausoleen und stellen fest, dass die Mehrzahl der Gräber scheinbar geplündert wurde. Fast alle Fensterscheiben sind zertrümmert und die Portale aufgebrochen, sodass man das in Schutt und Asche liegende Innere und die Särge sehen kann. An den wenigen intakten Mausoleen hängen Schilder, die darauf hinweisen, dass das Grab bereits geplündert wurde und es nichts mehr zu holen gibt. Der Friedhof ist so jedenfalls ein Ort, an dem man sich nachts alleine gruseln würde. Bevor wir zurück zum Ausgang gehen, besuchen wir noch das Mausoleum des berühmten Tangosängers und -komponisten Carlos Gardel, der hier begraben liegt. Das bekannteste Mausoleum des Friedhofs ist entsprechend gepflegt und intakt. Anschließend gehen wir zum Mittagessen in eine kleine Pizzeria an einer belebten Kreuzung. Nach den vielen Kilometern am Vormittag fahren wir danach mit der Subte noch zum Plaza de Mayo. Denn heute ist Donnerstag und somit halten die Madres de Plaza de Mayo ihre wöchentliche  Demonstration ab, um auf die während der Diktatur unter Videla 30.000 verschwundenen Menschen aufmerksam zu machen und gerichtliche Aufarbeitung und Verurteilungen zu fordern.

Friedhof Chacarita

Unseren letzten Tag in Buenos Aires verbringen wir ganz entspannt und genießen ein letztes Mal die Leckereien Recoletas. Wir probieren sogar noch eine neue Bäckerei aus, obwohl wir eigentlich schon längst eine Lieblingsbäckerei gefunden haben. Aber die Auswahl ist in Recoleta einfach riesig und wie erwartet, überzeugt die neue Bäckerei uns ebenfalls. Nachmittags wollen wir eigentlich noch in das Wassermuseum, aber es ist geschlossen. Irgendwie haben wir einfach keine Glückssträhne mit offenen Museen aktuell. In letzter Zeit standen wir ständig vor verschlossenen Türen. Naja, dann eben beim nächsten Besuch in Buenos Aires. Den wird es sicherlich geben, denn die Stadt hat uns so gut gefallen, wie noch keine andere südamerikanische Hauptstadt bisher. Buenos Aires ist so riesig und doch hat man in den einzelnen Stadtteilen nicht das Gefühl, in einer Metropole zu sein. Anders als in vielen anderen Großstädten ist es hier weniger laut und das Lebensgefühl einfach sehr entspannt. Es gibt an jeder Straßenecke Cafés, kleine Restaurants und viele alte Cafeterías. Tausende kleine Läden verkaufen Obst, Gemüse und auch die nächste Empanadabude ist nie weit. Ein weiterer Punkt, der uns an Buenos Aires begeistert, ist dass die Stadt sich fußläufig sehr angenehm erkunden lässt. Wenn einem die Füße dann nach unzähligen Kilometern doch irgendwann weh tun, springt man einfach in die nächste Subte und fährt für umgerechnet 12 Cent quer durch die Stadt. Wir sind jedenfalls ausnahmslos begeistert von Buenos Aires und haben auch nach den vielen Tagen immer noch einige Sachen auf unserer Liste nicht abhaken können.

Der Abschied von Buenos Aires fällt uns tatsächlich schwer, wir haben uns hier innerhalb kürzester Zeit wie Zuhause gefühlt. Aber anderseits zieht es uns jetzt auch nach Bolivien, denn über das kleine Andenland haben wir schon unendlich viele gute Sachen gehört!

Skyline von Buenos Aires

PS: Unter dem folgenden Link findet ihr nun das Video zum letzten Teil unserer Zeit in Patagonien auf Feuerland!

Werbung

Kommentar verfassen

Trage deine Daten unten ein oder klicke ein Icon um dich einzuloggen:

WordPress.com-Logo

Du kommentierst mit deinem WordPress.com-Konto. Abmelden /  Ändern )

Facebook-Foto

Du kommentierst mit deinem Facebook-Konto. Abmelden /  Ändern )

Verbinde mit %s