Unterwegs in Uruguay Teil 2

Nach dem herzlichen Abschied von Marina und Andrés geht’s für uns weiter durch die Pampa nach Tacuarembó. Wieder ziehen vereinzelte Estancias mit ihren endlosen Weiden und hunderten Kühen und Pferden an uns vorüber. Andere Behausungen gibt es kaum, nur hin und wieder steht eine kleine Schule am Straßenrand. Die Landschaft ändert sich lange Zeit höchstens marginal. Hin und wieder nimmt die Dichte an kleinen Baumhainen zu oder es gibt etwas mehr Hügel. Manchmal gibt es auch größere Ansammlungen von Eukalyptusbäumen, die in Reihe und Glied stehen. Offenbar wird hier auch Eukalyptusanbau betrieben. Zur Mittagszeit halten wir in einem kleinen Dorf, das aus mehreren gleich aussehenden Häusern, einer Polizeiwache, einer Kapelle, einem Rathaus und einer Imbissbude besteht. Hier gibt es, im Schatten vor der brutalen Mittagshitze wenigstens etwas geschützt, die obligatorischen Chivitos zum Mittagessen. Weit und breit ist keine Menschenseele außer der Betreiberfamilie des Imbiss zu sehen. Nur irgendwann schaut kurz der Bürgermeister vorbei, um sich Mittag zu bestellen, bevor er wieder in sein klimatisiertes Büro flieht. Wir fahren weiter und irgendwann stellen wir fest, dass kaum noch Rinder zu sehen sind, und die Landschaft auch nicht mehr aus Weiden besteht, sondern aus Getreide- und Sojafeldern. Schließlich wird es kurz vor unserem Ziel deutlich hügeliger und aus den vereinzelten Hainen werden ganze Wälder.

Kurze Zeit später passieren wir die Grenze zu Tacuarembó, der Gauchohauptstadt des Landes. Im März findet hier jährlich ein Gauchofest mit einem Umzug mit 4.000 Pferden statt. Leider sind wir dafür drei Wochen zu früh. Am Rande der Stadt beziehen wir unsere kleine Cabaña auf dem Grundstück einer kleinen Farm. Die Lage ist wieder Mal idyllisch mit Blick auf Weiden und die felsige Kante eines kleinen Plateaus. Tacuarembó ist mit 60.000 Einwohnern schon eine richtige Stadt und es gibt sogar ein paar Museen. Eines davon dreht sich rund um Fordoldtimer und ist eine private Sammlung eines Hoteliers. Diese müssen wir natürlich sehen und sind einigermaßen sprachlos. Hier stehen bestimmt zwanzig Ford der ersten Generationen inklusive Sondermodelle wie Trucks und ein Leichenwagen lieblos in einer Scheune herum. Die Autos sind teilweiße in Topzustand, Teilweise pflegebedürftig. Dennoch kommen hier sicherlich einige Hunderttausend Euro zusammen. Wir sind uns einig, dass die Autos eine schönere Präsentation verdient hätten. Im Anschluss wollen wir noch ins Gaucho Museum, allerdings ist es wegen Renovierungsarbeiten geschlossen. Also schauen wir uns das Stadtzentrum an und gehen einkaufen, um später auf unserer Terrasse zu grillen. Pünktlich zu einem spektakulären Sonnenuntergang kommen wir zurück an die Cabaña. Nachdem wir uns satt gesehen haben, heizen wir den gemauerten Grill an und bereiten unsere Steaks, Maiskolben und Grillkartoffeln zu. Als wir anfangen zu essen, brennt der Himmel immer noch in Rottönen und der Horizont leuchtet pink. Es scheint, als wolle sich der Himmel heute nicht der Nachtschwärze ergeben.

Unordnung im Ford Museum, Tacuarembó

Früh geht’s am nächsten Tag weiter. Selbst die Geier sind noch nicht unterwegs und trocknen sich mit ausgebreiteten Flügeln auf den Pfählen der Weiden. Heute liegen laut Google Maps viereinhalb Stunden Fahrt vor uns. Zunächst geht es jedoch durchs nahe Tal mit dem himmlischen Namen Valle Eden. Es ist das wahrscheinlich einzige richtige Tal Uruguays. Eine Schotterstraße geht’s entlang hoch auf einen Hügel mit einem relativ unspektakulären Aussichtspunkt. Immerhin alte Zugschienen kann man im bewaldeten Talkessel erkennen. Anschließend stellen wir fest, dass unser Chevrolet-SUV sich für das bisschen Hügel ordentlich Benzin gegönnt hat und unser Tank wohl nicht mehr bis zur nächsten Tankstelle reichen wird. Max flucht wie so oft über das Auto, dem man sein amerikanisches Fabrikat an seinen vielen seltsamen Eigenheiten immer wieder anmerkt. Jedenfalls nützt es nichts und wir müssen nochmal eine halbe Stunde zurück nach Tacuarembo fahren. Im Anschluss sind wir gerüstet für die nächsten 400 km, selbst wenn unterwegs keine Tankstellen mehr kommen sollte. Das Gebiet ist auch tatsächlich sehr dünn besiedelt und wieder geprägt von Getreidefeldern. Wir fahren Stunde um Stunde, ohne dass uns viele andere Autos begegnen. Unterwegs sehen wir ein auf dem Dach liegendes Auto am Straßenrand, dem Fahrer ist zum Glück nichts passiert und er wartet in einem Liegestuhl unter aufgespannten Sonnenschirm auf den Abschleppdienst. Für uns ist das ein wahres Symbolbild für diese Region. Nach letztlich sieben Stunden im Auto kommen wir in unserer Unterkunft etwas außerhalb von Mercedes an. Es ist wieder eine kleine Estancia mit Pool, den wir auch direkt für eine Erfrischung nutzen. Wir werden jedoch überrascht von der Wassertemperatur, die auf Grund der Hitze der vergangenen Tage ziemlich hoch ist und nur bedingt zur Erfrischung taugt. Trotzdem ist es angenehm, ewig in der warmen Plörre zu liegen. So verbringen wir die restlichen zwei Stunden des Tages, bevor wir einen weiteren Sonnenuntergang bestaunen und zu Abend essen.

Direkt morgens geht’s am nächsten Tag nach Mercedes ins Zentrum, um vor der Mittagshitze noch einen Eindruck der Stadt zu bekommen. Wir parken an der Hafenpromenade und schlendern zum zentralen Platz. Heute soll es nachmittags 39 Grad werden und man spürt die drückende Hitze schon jetzt. Die Stadt gefällt uns mit ihrem pittoresken zentralen Platz und einem großen Park der sich entlang des Rio Negro erstreckt. Natürlich stehen überall Picknickbänke und Grills, die auch fleißig von den Familien genutzt werden. Alles hier ist sehr gepflegt und es gibt sogar ein Schloss mit Museum, das leider geschlossen ist. Dafür entdecken wir ein Plakat, das einen Karnevalsumzug für heute Abend ankündigt. Nach dem Mittagessen in einem Restaurant am Ufer des Rio Negros fahren wir aber erstmal zurück zur Unterkunft und verbringen die heißen Stunden des Nachmittags am und im Pool. Voller Vorfreude auf den Karnevalsumzug essen wir nur schnell Brot mit Käse, bevor wir wieder in die Stadt fahren. Da wir nicht einschätzen können, wie voll es wird, fahren wir lieber zeitig los. Natürlich sind wir viel zu früh, aber so bleibt uns noch Zeit den Vorbereitungen für die Feier zuzuschauen. Die meisten Menschen sitzen noch überall in der Stadt verteilt auf ihren Strandstühlen und schlürfen Mate, während die Händler, Wurstverkäufer, Sitzplatzvermieter und Getränkeverkäufer schon die Hauptstraße auf und ab laufen bzw. ihre Waren ausbreiten oder die ersten Chorizos grillen. Wir schlendern die etwa anderthalb Kilometer lange Straße entlang, auf der der Umzug stattfinden wird. Beide Seiten der Straße sind gesäumt von Liegestühlen, die man zum gemütlichen Zuschauen mieten kann. Hier läuft so ein Umzug nämlich anders ab, als in Deutschland. Man sitzt oder steht gemütlich am Straßenrand, schaut sich den Umzug an und klatscht mitunter Mal mit. Verkleidet ist hier niemand. Wir finden das etwas schräg und entscheiden uns, zu stehen. Nach etwa drei Stunden bereuen wir diese Entscheidung zwar etwas, aber wir haben es alle überlebt. Doch zunächst geht um Punkt 21 Uhr der Umzug los. Zunächst kommt uns ein Trupp Fahnenschwinger entgegen, die kunstvoll zum Takt der Trommeln ihre riesigen Fahnen schwingen. Dabei machen sie es sich zum Spaß, diese möglichst knapp über den Köpfen der Zuschauer zu bewegen. Die Kids versuchen begeistert, die Fahnen einzufangen. Es folgen ein Tanztrupp und Träger, die Sonne, Mond und Sterne tragen. Als nächstes kommt ein Überraschung für uns. Etwa sieben ältere Paare haben sich als sehr alte Leute verkleidet und führen einen Tanz auf, bei dem der Herr mit Gehstock um die Dame herumtanzt. Anschließend kommt eine sehr spärlich bekleidete Sambatänzerin mit Partner. Zu guter Letzt marschieren an die dreißig Trommler mit umgeschlungenen Congas und sorgen dafür, dass die Nacht vom Trommelhall erzittert. Dann ist erstmal Pause und wir sind begeistert. So stellen wir es uns in Rio auch vor (natürlich nur wesentlich größer und professioneller). Etwa fünf Minuten später rollt der nächste Teil des Umzugs ein. Das Programm ist im Wesentlichen das gleiche, nur die Kostüme des Karnevalsvereins unterscheiden sich vom vorangegangenen. Die Sambatänzerinnen scheinen sich einen Wettbewerb zu liefern, wer das gewagtere Outfit tragen kann. Nach 6 weiteren Gruppen entscheiden wir uns, langsam aufzubrechen. Wir sind erschöpft vom Stehen in der immer noch schwülen Nachtluft. Doch kaum haben wir uns zum Aufbruch entschieden, sehen wir auch schon, dass nun die letzte Gruppe marschiert. Also bleiben wir noch bis zum Ende und schmeißen uns dann ins Aufbruchsgetümmel. Anderthalb Stunden später fallen wir um halb eins totmüde aber happy in die Betten.

Sambatänzerin beim Karneval in Mercedes, Uruguay

Unsere letzte Fahrt innerhalb Uruguays komplettiert die Rundreise und führt uns von Mercedes über Villa Soriano wieder zurück an die Küste nach Colonia del Sacramento. Villa Soriano ist die älteste Siedlung Uruguays und ein nettes, aber verschlafenes kleines Nest. Wegen der erneut brutalen Hitze steigen wir nur kurz aus und laufen zum Ende eines Steges hinaus auf den Rio Negro, der hier in den Rio Uruguay fließt. Der Ausblick ist nett, aber das Wasser lädt selbst bei den Temperaturen optisch leider nicht zum Hineinspringen ein. Weiter geht es also nach Carmelo, ein Ort von dem wir gehört hatten, er sei super schön. Leider ist hier alles zu und wirkt wie verlassen. Uns gefällt es daher nicht so gut und auch optisch gefielen uns Villa Soriano und Mercedes besser. Es mag sein, dass es anders aussieht, wenn die Geschäfte offen sind. Also fahren wir durch den Ort nur hindurch zum Ufer des Rio Uruguay, dessen Wasser nicht viel sauberer aussieht als das seines Zuflusses. Immerhin finden wir hier in der Nähe eines Strandes ein kleines Restaurant, wo es eines der besten Chivitos gibt. Die anschließenden Kilometer bis Colonia gehen auf der hier gut ausgebauten Straße schnell. Doch wir haben nicht sehr viel davon, bereits um drei Uhr angekommen zu sein. Hier ist es nochmal heißer als im Inland. Die Straßen sind wie leer gefegt, alle scheinen sich möglichst wenig zu bewegen und schon gar nicht außerhalb der Reichweite einer Klimaanlage. Also machen wir es auch so und ruhen uns erstmal auf den Zimmern aus. Anschließend erkunden wir ein wenig die Gegend und entscheiden uns, später Pizza zu holen und diese auf der Dachterrasse zu essen. Doch zunächst halten wir unser tägliches Uruguay-Ritual ab: Sonnenuntergang schauen. Unsere Appartements befinden sich in einem alten und großen Haus direkt am Ufer des Rio de la Plata. Daher haben wir von der Dachterrasse nicht nur einen fantastischen Ausblick auf die Uferpromenade, sondern auch aufs „Meer“. Tatsächlich reicht das Wasser so weit das Auge reicht, bis Buenos Aires am anderen Ufer sind es 57 km. Heute ist es etwas bewölkt und so gehen Anns Mutter und Max Pizza holen, als die Sonne hinter den Wolken verschwunden ist. Ein Fehler wie sich herausstellt, denn später erzählen Ann und ihr Vater, dass die Sonne unter den Wolken nochmal wieder herausgekommen ist und der Abendhimmel fantastisch war. Aber wir werden ja noch zwei Abende hier haben.

Sonnenuntergang am ersten Tag in Colonia, Uruguay

Am nächsten Morgen wachen wir mit strömendem Regen auf. Also frühstücken wir ganz gemütlich und lassen uns Zeit. Als es etwas weniger stark regnet, ziehen wir los und freuen uns, dass die Temperaturen immerhin etwas abgesunken sind. Also lassen wir uns von den letzten Tropfen nicht abhalten und erkunden die Altstadt. Über Kopfsteinpflaster geht es durch kleine Gässchen und über zwei schöne Plätze, die Kameras immer im Anschlag. An jeder Ecke stehen pittoreske kleine Häuser mit weißgetünchten Wänden und die Bougainvilleabüsche machen den Ort fast ein wenig kitschig. Nachmittags klart es dann richtig auf und wir entscheiden uns, das Auto nochmal auszunutzen. Also fahren wir zu einigen Aussichtspunkten entlang der Küste, der ehemaligen Stierkampfarena und einigen kleinen und schönen Stränden. Leider ist auch hier im Rio de la Plata die Wasserqualität mehr als fragwürdig – zwei an der Mündung gelegene Millionenstädte und die Abwasser der Landwirtschaft aus den unterschiedlichen Flüssen sorgen für einen ungesunden Mix. Da hilft auch das Mischen des Rio Uruguay mit dem Meerwasser kaum. Wieder zurück im Apartment geht es natürlich auf die Dachterasse. Erstaunt stellen wir fest, dass wir tatsächlich die Skyline von Buenos Aires winzig klein am Horizont erkennen können. Bei einigen Runden Skat warten wir auf den Sonnenuntergang und fragen uns, ob wir aufgrund der klaren Luft heute die Sonne hinter Buenos Aires untergehen sehen können. Später wird Max feststellen, dies sei der spektakulärste Sonnenuntergang seines Lebens gewesen. Wie ein riesiger Feuerball senkt sich die Sonne der argentinischen Hauptstadt entgegen, bis sie schließlich scheinbar auf die Erde knallt und die Stadt verschlingt. Voller Euphorie gehen wir anschließend in einem kleinen Restaurant mit einem hübschen Garten essen und sind uns einig, das bisher beste Essen Uruguays gefunden zu haben. Bei einer Flasche Wein lassen wir den Tag Revue passieren und sind uns auch in dem Punkt einig, dass Colonia die hübscheste Stadt des Landes ist. Und den besten Sonnenuntergang der Welt hat sie auch zu bieten!

Sonnenuntergang hinter Buenos Aires

Nachdem wir an unserem vorletzten Morgen das Auto abgegeben haben, erkunden wir weiter zu Fuß die Stadt. Obwohl wir das meiste der kleinen Altstadt bereits gesehen haben, entdecken wir doch immer noch neue Ecken. Mit Blick auf die schicken Gässchen essen wir auf einer Terrasse Mittag und genießen die Zeit. Den Nachmittag verbringen wir anschließend beim Skatspielen auf unserer Dachterasse. Ann und ihre Mutter werden immer besser und das Spielen macht auch nach den vielen Runden immer noch viel Spaß. Erst als die Sonne sich wieder dem Horizont nähert, hören wir auf, um das erneute Spektakel nicht zu verpassen. Wir werden an unserem letzten Abend in Colonia erneut mit einem Touchdown der Sonne hinter der Skyline von Buenos Aires belohnt. Zum Abendessen gibt’s heute Brot und Käse auf der Terrasse, während langsam die Sterne herauskommen. Ein wirklich gelungener Abschluss einer sehr schönen Zeit, die wir mit Anns Eltern genießen konnten. Am nächsten Tag geht’s dann wieder nach Argentinien und Buenos Aires. Das funktioniert aber leider nicht so gut, wie gedacht. Am Hafen herrscht das absoluten Chaos. Schlangen für unterschiedliche Schiffe winden sich durch die Wartehalle und niemand weiß so genau, ob er oder sie gerade für das richtige Schiff ansteht. Und so legen wir zwar mit einer halben Stunde Verspätung ab aber auch mit dem rundum zufriedenen Gefühl, dass wir das kleine Uruguay wirklich so ausgiebig erkundet haben, dass wir nicht nochmal wieder kommen müssen. Außer vielleicht für den einen oder anderen Sonnenuntergang, die anderswo ihresgleichen suchen.

Und zu guter Letzt gibt’s auch noch ein neues Video:

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