Wir fahren von El Calafate um 12 Uhr mit dem Bus nach Puerto Natales. Heute geht es zurück in den chilenischen Teil Patagoniens. Puerto Natales und Punta Arenas, die beiden südlichsten Städte Chiles, können nur per Fähre oder über Land durch Argentinien erreicht werden. Es gibt keine Straße auf chilenischer Seite, die die Städte mit dem Rest Chiles verbindet.
Da auf den letzten Drücker vor der Abfahrt noch alle Reisedokumente von der Busgesellschaft kontrolliert werden, fahren wir schon mit Verspätung los. Sieben Stunden Fahrt liegen vor uns und es geht wieder durch die Pampa, entlang der Ruta 40. Die Strecke sind wir bereits in die andere Richtung gefahren und so wissen wir, dass wir absolut nichts verpassen, wenn wir immer wieder einschlafen und vor uns hin dösen. Nach zwei Stunden Fahrt halten wir an einem nur allzubekannten Rastplatz – wir sind wieder am Hotel Esperanza, wo wir nach unserem 8 Stunden Umweg auf dem Weg nach El Chaltén Pause gemacht haben. Etwas nervös schauen wir auf die Karte, ob wir uns noch auf dem direkten Weg befinden. Aber es besteht kein Grund zur Sorge, dieses Mal ist alles in Ordnung. Als wir schließlich an der argentinischen Grenzkontrolle im kleinen Minenort Rio Turbio ankommen, liegt schon der Großteil der Strecke hinter uns. Die Ausreise aus Argentinien geht schnell. Dann geht’s weiter über die Grenze und nach vier Kilometern halten wir am chilenischen Grenzposten. Auch hier geht alles relativ zügig und nach einer kurzen Gepäckkontrolle sind wir wieder offiziell zurück in Chile.
Als wir am frühen Abend in Puerto Natales ankommen, haben wir einen tollen Blick auf das Bergpanorama am Rand des Fjordes, der hinter der Stadt beginnt. Puerto Natales selbst enttäuscht uns auf den ersten Blick, auf den Bildern sah die Stadt irgendwie etwas bunter und hübscher aus. Ann hatte sich ein zweites Puerto Varas vorgestellt. Auch am nächsten Tag ändert sich unser erster Eindruck nicht wirklich, Puerto Natales ist mehr oder weniger nur Ausgangspunkt zum Nationalpark Torres del Paine. Wir haben uns jedoch kurzfristig dagegen entschieden, die Wanderungen dort zu machen. Die Camps der zwei bekannten Mehrtagestouren muss man bereits weit im Voraus buchen und da wir ja bekanntlich eher spontan reisen, haben wir dafür keine Buchungen mehr bekommen. Wir könnten zwar noch in einzelnen Camps übernachten und von dort aus Tageswanderungen machen, aber die extrem hohen Kosten, die nach den Reservierungen der Camps noch anfallen (Eintritt, Bustickets zum Parkeingang, Fähre zum Beginn der Wanderung, Schlafsackmiete aufgrund der Kälte) und die Erfahrungsberichte von anderen Backpackern, die wir in letzter Zeit gehört haben, bestätigen uns letztendlich in unserem Gefühl. So entscheiden wir uns gegen Torres del Paine und schießen unsere 3 gebuchten Campübernachtungen in den patagonischen Wind. Für viele Touristen, die kürzer in Patagonien unterwegs sind, ist dieser Nationalpark eines der Highlights. Aber für fast alle, die wie wir länger unterwegs sind, hat sich Torres del Paine mit Tageswanderungen nicht gelohnt. Der O-Trek, die längere der beiden Mehrtageswanderungen, ist dann nochmal eine andere Sache und vielleicht nehmen wir diesen irgendwann mit ausreichend frühen Buchungen in Angriff. Jetzt aktuell haben wir auf jeden Fall das Gefühl, in den letzten zwei Monaten in Patagonien bereits sehr viele wunderschöne Bergpanoramen, Gletscher und Flüsse gesehen zu haben. Hinzu kamen viele tolle Wanderungen. Also genießen wir es einfach an diesem stürmischen Tag im warmen Wohnzimmer unseres Hostels zu sitzen und mit anderen Gästen Reisegeschichten auszutauschen und haben nicht das Gefühl, etwas zu verpassen. Eine Kanadierin teilt mit uns die besten Wildcampingspots in ihrer Heimat und wir würden Kanada am liebsten auch direkt noch auf unsere Route setzen, aber unser Budget ist leider dann doch nicht unendlich. Als der Sturm am Nachmittag etwas abflacht, erkunden wir noch ein bisschen die Stadt. Allzu viel gibt die Erkundungstour aber nicht her. Außerhalb der Stadt gäbe es noch eine oder zwei Wanderungen, die wir bei gutem Wetter gemacht hätten, aber so freuen wir uns, Puerto Natales bereits am nächsten Morgen wieder verlassen zu können.

Nach dem Aufstehen machen wir uns also morgens direkt auf den Weg zum Busterminal. Kaum dort angekommen, kommt bei uns – so seltsam es klingen mag – endlich Weihnachtsstimmung auf. Das ganze Busterminal ist geschmückt und es läuft ununterbrochen Weihnachtsmusik (unser schon 2018 in Guatemala geliebter Favorit Burrito Sabanero (Link) ist auch dabei, juhu!) Die kleinen Verkaufsstände könnten fast Weihnachtsmarktbuden sein. Außerdem sind wir auf dem Weg zu unserer Unterkunft, in der wir die Weihnachtsfeiertage verbringen werden. Im ersten Bus nach Punta Arenas ist kein Platz mehr frei und so warten wir eine Stunde in weihnachtlicher Atmosphäre auf den nächsten. Dann heißt es für uns „Driving to Punta Arenas for Christmas!“.
Wir haben hier für 4 Nächte ein Doppelzimmer in einem gemütlichen Homestay gebucht. Die herzliche Gloria vermietet in ihrem Haus eigentlich sechs Zimmer an Touristen, jetzt über die Feiertage sind wir allerdings die einzigen Gäste. Die restlichen Zimmer sind mit Freunden und Verwandten von Gloria belegt, die für die feuchtfröhliche Weihnachtsfeier bzw. „das Warten auf Weihnachten“ (in der Nacht auf den 25. Dezember) angereist sind. Bei uns geht es am 24. Dezember etwas traditioneller zu und wir versuchen uns an einem Rinderbraten, der auch ziemlich gut gelingt. Dazu gibt es dann noch guten chilenischen Wein (ausnahmsweise sogar den etwas teureren für 4€ – statt wie sonst für 1,50€, da es in Chile einfach keinen schlechten Wein gibt). Die südlichste Stadt Chiles gefällt uns deutlich besser als Puerto Natales. Bei Spaziergängen entlang der Küstenpromenade lassen wir uns den hier im Süden allzeit präsenten Wind um die Nasen wehen. Allzeit im Blick ist dabei die berühmte Straße von Magellan. Statuen des Namensvaters und großen Entdeckers Ferninand Magellan säumen die Promenade. Im Jahr 1520 wurde diese Meerenge von Magellan entdeckt und somit ein Durchgang zwischen Atlantik und Pazifik ohne die gefährliche Fahrt entlang des Kap Horn geschaffen.
Wir besuchen außerdem den Hauptfriedhof Punta Arenas, der einer der schönsten der Welt sein soll. Wir sind etwas skeptisch ob dieses hochtrabenden Versprechens, werden aber nicht enttäuscht: der Friedhof ist wirklich ziemlich schön und eine Familiengruft prunkvoller als die andere. Die aufwändigen Familiengruften sind teilweise so groß, dass sie eher wie Kapellen wirken. Allerdings gibt es am Ende des Friedhofs auch jede Menge „Reihenhausgräber“ und unzählige kleine, eher unscheinbare, in eine lange Wand eingelassene Kammern. Der Friedhof spiegelt also auch die sozialen Unterschiede wieder. Wir bestaunen außerdem die bunte und sehr weihnachtliche Dekoration vieler Gräber. Viele Familien sind, als wir über den Friedhof schlendern, gerade noch dabei zu schmücken. Es gibt unzählige winkende Nikoläuse, glitzernde Tannenbaumfiguren, bunt blinkende Schneemänner und – Anns Highlight – auf einem Grab sogar eine aufgeklappte Musikkarte, die unablässig eine elektronisch verzerrte Version von Jingles Bells spielt. Das ganze wirkt auf uns ziemlich skurril, in Deutschland geht es auf Friedhöfen ja doch eher andächtiger zu. Wir versuchen uns vorzustellen, was wohl los wäre wenn jemand dort die Jingle Bells Karte dekorieren würde. Wir kommen ins Gespräch mit einem Chilenen der uns erklärt, es würde hier einfach dazugehören den Verstorbenen besonders schöne Dekorationen zu widmen und an den nicht dekorierten Gräbern könne man sehen, wessen Verwandte weniger an jemandem hingen.

Insgesamt haben wir die Weihnachtsfeiertage mit viel Essen, Relaxen und Filme schauen verbracht. Am Abend des 25. Dezember gehen wir dann noch in die Spätvorstellung im Kino – für uns beide ist es eine Premiere an Weihnachten ins Kino zu gehen und es fühlt sich lustigerweise ein bisschen wie etwas verbotenes an. Der Preis für Avatar in 3D ist unschlagbar günstig, wir zahlen pro Person gerade mal 4€. Dafür dröhnt die Musik umso lauter und scheppernder aus den Lautsprechern. Als der Film dann um halb 1 zu Ende ist, laufen wir zu Fuß zurück zu unserer Unterkunft. Hier im tiefen Süden ist es so sicher wie sonst nirgends. Am letzten Tag in Punta Arenas darf dann unser üblicher Spaziergang entlang der Promenade natürlich nicht fehlen. Anschließend gehen wir noch in ein kleines Café und gönnen uns ein letztes Mal chilenischen Kuchen. Außerdem besorgen wir noch Proviant für die 12 Stunden Busfahrt nach Ushuaia am nächsten Tag. Endlich ist es soweit und es geht endgültig bis ganz runter in den Süden nach Feuerland!