Bariloche – Die Schweiz Südamerikas

Um 8:10 Uhr nehmen wir von Puerto Varas den Bus in das argentinische Bariloche. Nach etwa 3,5 Stunden machen wir Halt an dem chilenischen Grenzposten und reisen aus. Danach kommt erstmal viel Landschaft und wir kurven durch die Berge, weit und breit ist kein argentinischer Grenzposten zu sehen. Die Einreise nach Argentinien kommt dann tatsächlich irgendwann mitten in den Bergen im Parque Nacional Nahuel Huapi. Die Grenzbeamten sind hier auf jeden Fall sehr entspannt. Der Prozess ist nur wieder Mal etwas gewöhnungsbedürftig – einzelne Koffer aus unserem Bus werden ausgewählt und gescannt. Um zu identifizieren welchem Passagier einer der ausgewählten Koffer gehört, müssen alle Passagiere aus unserem Bus dann in einer Reihe im Gänsemarsch an dem Koffer vorbeilaufen. Nebenbei läuft im Migrationsbüro auf einem Fernseher eine WM-Übertragung. Als alle fertig sind, fahren wir weiter.

Die Straße verläuft entlang des Lago Nahuel Huapi und wir bekommen eine fantastische Aussicht auf den tiefblauen See, die Berge und Felsformationen im Nationalpark geboten. Nach 7 Stunden kommen wir an und Bariloche gefällt uns direkt. Der Beiname „Schweiz Südamerikas“ passt perfekt. Die Häuser in der Innenstadt sind im Alpenstil gebaut, Schokoladenmanufakturen und die Kulisse des Lago Nahuel Huapi mit Bergen im Hintergrund tragen ihr übriges zum Ambiente bei. Wir bleiben 3 Nächte und machen nicht viel, außer durch die Straßen zu bummeln und die unverschämt günstigen Craftbeerpreise ausgiebig während der Happy Hour nutzen. Die Atmosphäre gefällt uns richtig gut.

Da die Argentinier aufgrund der hohen Inflation ihr Geld in Dollar oder Euros anlegen wollen, benötigt das Land jede Menge ausländische Devisen. Durch den dadurch entstandenen inoffiziellen Wechselkurs „Blue Dollar“ bekommen wir das Doppelte des offiziellen Wechselkurses. Das kommt uns zu Gute, für uns ist hier also alles nur halb so teuer wie für die Einheimischen. Aber wie kommen wir an diesen inoffiziellen Wechselkurs? Hier wird es seltsam, der Prozess hat einen sehr offiziellen Anstrich: wir schicken uns Geld zu Western Union, das wir dann vor Ort in argentinischen Pesos abholen. Weil es keine höheren Banknoten als 500 oder 1000 gibt, muss man immer jede Menge Bündel an Scheinen mitschleppen.

Bariloche ist für uns auch kulinarisch ein Highlight und das nicht nur wegen des Craftbeers. Wir entdecken eine Bäckerei mit unglaublich leckeren gefüllten Berlinern (Vanillecreme oder Dulce de Leche). Außerdem gehen wir an einem Abend im angeblich besten Steakhouse der Stadt essen. Für 51 Euro bekommen wir die besten Steaks, die wir je hatten, Grillgemüse und Pommes als Beilage, Gin Tonic als Aperitif, eine Flasche Rotwein und nach dem Essen noch einen Fernet (in Argentinien der Standardschnaps, aber es gibt bessere als den auch bei uns bekannten Fernet Branca). Danach versacken wir noch in einer Bar um die Ecke. Nach dem teuren Chile genießen wir es sehr, uns mal wieder etwas leisten zu können.

Weihnachtsstimmung in Bariloche

Am nächsten Tag unterhalten wir uns erneut darüber, wie gut uns die Atmosphäre in Bariloche gefällt und dass wir es uns gut vorstellen könnten, noch ein paar Tage länger zu bleiben. Da die Hauptsaison jedoch vor der Tür steht, werden die Unterkünfte leider relativ teuer und so verwerfen wir den Gedanken wieder. Keine halbe Stunde später erhalten wir jedoch auf der Plattform Workaway (Unterkunft gegen Mithilfe), auf der wir schon länger angemeldet sind, eine Nachricht von Joaquín. Er wohnt in einem Nachbarort und benötigt kurzfristig Hilfe bei einem Gartenprojekt. Wir überlegen nicht lange und bereits am nächsten Morgen nehmen wir den Bus in den kleinen Ort Villa los Coihues, wo Joaquín wohnt. Der Deal umfasst fünf Tage Arbeit und danach zwei freie Tage, während wir im Gegenzug eine kostenlose Unterkunft erhalten.

Joaquín wohnt in einer schönen Blockhütte, nur fünf Minuten zu Fuß vom Lago Gutierrez entfernt. Direkt neben der roten Blockhütte, die er bewohnt, steht auf einem weiteren Grundstück eine grüne Blockhütte. Hier ziehen wir für eine Woche ein und wir genießen sehr den Luxus eines Doppelzimmers mit eigenem Bad. Außerdem erfreuen wir uns abends an dem gemütlichen Wohnzimmer mit Essbereich, TV und natürlich Sofa. Die Arbeit ist ziemlich anstrengend, da wir den Garten umgraben, Erde aufschütten und die Fläche begradigen. 5 Tage lang schaufeln wir 5 Stunden pro Tag. Wir bringen die Arbeit immer direkt morgens hinter uns und haben dann nachmittags Zeit die Gegend zu erkunden. Wir nutzen die Nähe zum Lago Gutierrez, sitzen am Seeufer und genießen die Aussicht auf das glasklare, türkis schimmernde Wasser und das dahinter liegende Bergmassiv. Der kleine Strand ist der perfekte Ort für unser Feierabendbier, dank in der Küche vorhandener Plastikbecher mit Patagonialogo (eine lokale Brauerei) sind wir auch perfekt ausgestattet. Außerdem schauen wir gemeinsam mit Joaquín das Argentinienspiel gegen Australien. Argentinien gewinnt und die Argentinier feiern, wie schon beim letzten Gewinn, ausgiebig. Einen Nachmittag fahren wir nach Bariloche. Wir kaufen unsere Bustickets nach El Chaltén für in vier Tagen am Busterminal, damit wir diese bar bezahlen und so von unserem guten Wechselkurs profitieren können. Außerdem gehen wir zur Happy Hour in unsere Lieblingsbrauereikneipe Manush. Auf dem Rückweg darf dann auch ein Abstecher in unsere Lieblingsbäckerei nicht fehlen. Bei diesem Ausflug begleitet uns Anna, die für ein paar Tage bei Joaquín arbeitet und nun unsere Mitbewohnerin ist. Abends kochen wir gemeinsam und am nächsten Tag nach der Arbeit unternehmen wir nachmittags eine Wanderung zu einem Wasserfall in der Nähe und anschließend noch zu einem Aussichtspunkt über den Lago Gutierrez. Da es unser letzter Arbeitstag war, lädt uns Joaquín als Dankeschön abends zum Pizzaessen in seiner Blockhütte ein. Wir verbringen einen netten Abend und reden viel über die Unterschiede im argentinischen und deutschen Fernverkehr. Die nächsten zwei Tage haben wir frei, aber wohnen weiterhin in unserer schönen Blockhütte. Für unseren ersten freien Tag, haben wir uns nach 5 Tagen körperlicher Arbeit direkt eine weitere Herausforderung gesucht.

Ibis am Lago Gutiérrez, Bariloche

Weil das Wetter weiter sonnig und kein Wind gemeldet ist, wandern wir hinauf zum Refugio Frey. Da wir Hin- und Rückweg an einem Tag in Angriff nehmen, liegen 23 km und 1030 Höhenmeter vor uns. Von Villa Los Coihues folgen wir dem Wanderpfad durch Wälder, eine trocken Ebene und am Fuß der felsigen Berghänge immer entlang des Lago Gutierrez, dabei durchqueren wir perfektes Pumaterritorium. Die einzigen Pumas, die wir jedoch sehen, sind die Bilder auf den Infotafeln. Falls wir doch noch einen zu Gesicht bekommen, sind wir immerhin vorbereitet, wie wir uns zu verhalten haben. Schließlich macht der Weg eine Biegung, weg vom Lago Gutierrez und hinein in die Berge. Nach dem ersten Teil des Anstiegs gönnen wir uns eine kurze Pause mit Ausblick auf die gezackten Bergspitzen der Cordillera Catedral. Von hier liegen noch 2 steile Kilometer vor uns, diese Kilometer haben es in sich. Der Weg wird felsiger und am Ende gilt es noch einen Fluss zu überqueren. Hierzu ist allerdings ein Seil quer über den Fluss gespannt, sodass es uns leicht fällt, den Fluss auf mehreren Steinen zu überwinden. Ein paar anderen Wanderern scheint die Seilkonstruktion jedoch nasse Füße zu versprechen und daher weichen sie nach links auf ein Schneefeld aus, welches sich über den Fluss zieht. Das ist keine gute Idee, da der Schnee bereits schmilzt, ist der Rand des Schneefelds brüchig und vom Flusswasser ausgehölt. Eine Wanderin kommt zu nah an den Rand und bricht mit der Kante in den Fluss. Sie hat jedoch Glück im Unglück und kommt mit dem Schreck und einem scheinbar verstauchten Knöchel davon. Nach der Flussüberquerung, ziehen wir uns an dem Seil einen kleinen, schneebedeckten Hang hinauf. Wenige Meter bergauf liegt das Refugio Frey mitsamt seiner Laguna nun direkt vor uns. Als wir ankommen, suchen wir uns einen Platz in der Sonne, kaufen ein Gipfelbier und genießen die fantastische Aussicht auf die Berggipfel, die uns überall umgeben. Als wir uns genug ausgeruht haben, gehen wir noch hinunter zur Lagune und anschließend machen wir uns an den Abstieg. Dieses Mal nehmen wir einen anderen Weg, der uns weiter oberhalb unseres Hinwegs, mit toller Aussicht auf den Lago Gutierrez, in den Skiort Villa Cerro Cathedral führt. Für Ann ist der Rückweg eine echte Herausforderung, da der Pfad ohnehin schmal und zusätzlich immer wieder von weggebrochenen Abschnitten des Berges durchzogen ist. Letztendlich gibt es aber keine andere Wahl und mit Max Hilfe sind auch die heruntergefallenen Felsbrocken am Rande des Pfads, die den Weg versperren, überwindbar. Die Aussicht ist die ganze Zeit atemberaubend. Von Villa Cerro Cathedral nehmen wir schließlich, erschöpft aber glücklich, den Bus Richtung Bariloche und steigen an der Hauptstraße in einen Bus zurück nach Villa Los Coihues. Abends und am nächsten Tag nutzen wir unsere Blockhütte nochmal ausgiebig zum Erholen.

Refugio Frey in den Bergen über Bariloche

Bevor wir Mittwochs unsere 24 stündige Busfahrt von Bariloche nach El Chalten antreten, verbringen wir noch eine Nacht in Bariloche. Nachmittags besuchen wir den Cerro Campanario, einen wunderschönen Aussichtspunkt, etwa eine halbe Stunde per Bus von Bariloche entfernt. Man kann entweder mit einem Sessellift hochfahren oder, wie wir, den kurzen Fußweg wählen. Nach knapp 20 Minuten kommen wir oben an und genießen die wunderschöne Aussicht über den Lago Nahuel Huapi und unzählige Bergketten in der Umgebung. Abends treffen wir uns dann noch in unserer Stammkneipe Manush mit Manon und Theo, die wir vor 6 Monaten in den Bergen Ecuadors kennengelernt haben. Zufällig sind die beiden nun auch im argentinischen Patagonien. Da wir am nächsten Morgen früh zum Bus müssen, gehen wir jedoch nicht allzu spät ins Bett.

Lupinen auf dem Cerro Campanario, Bariloche
Werbung

Kommentar verfassen

Trage deine Daten unten ein oder klicke ein Icon um dich einzuloggen:

WordPress.com-Logo

Du kommentierst mit deinem WordPress.com-Konto. Abmelden /  Ändern )

Facebook-Foto

Du kommentierst mit deinem Facebook-Konto. Abmelden /  Ändern )

Verbinde mit %s