Bevor wir uns abends in den Nachtbus nach Lima setzen, essen wir an der Hauptstraße in Mancora noch schnell was zu Abend. Dieses Essen wird uns, wie wir später merken, noch lange in Erinnerung bleiben. Aber zunächst vergeht die Nachtbusfahrt wie im Flug dank unserer bequemen businessclass-artigen Sitze, die sich zu einem Bett umfunktionieren lassen. Da sind auch die vier Stunden Verspätung, die uns erst nach 22 Stunden in Lima ankommen lassen, nicht so schlimm. Im Terminal benötigen wir erstmal WLAN, um unsere Unterkunft wie abgesprochen zu kontaktieren, damit wir nicht vor verschlossenen Türen stehen würden. Doch leider gibt es im Terminal unserer Busgesellschaft kein Internet. Wir laufen also zum Terminal einer anderen Gesellschaft (in Peru hat häufig jede Busgesellschaft ihr eigenes Terminal, was oft nervt). Dort gibt’s auch kein Signal, aber dafür werden wir von einer Menge Taxifahrer belagert, die uns gerne fahren würden. Wir schildern also unser Problem und ein hilfreicher oder vielmehr geschäftstüchtiger Fahrer teilt einen Hotspot von seinem Handy. Doch da erwartet uns schon die nächste Überraschung. Der Gastgeber hat uns geschrieben, dass er stornieren müsse. Das ist im wahrsten Sinne des Wortes ungünstig, sind alle anderen Unterkünfte in Lima doch weitaus teurer. Also beißen wir in den sauren Apfel und lassen uns zu einem Hostel fahren, wo wir für einen höheren Preis zwei Betten im Schlafsaal statt unseres gebuchten Doppelzimmers bekommen. Um 17 Uhr haben wir dann alles geklärt und gehen etwas essen. Wir wollen nur eine Nacht bleiben und haben schon eine genaue Vorstellung, welche Gerichte wir in Peru unbedingt nochmal essen wollen. Heute gibt’s die saftigen Sanguches de Chicharrón (Schweinebauchsandwiches). Wieder zurück im Hostel duschen wir und fallen in unsere Betten. Doch kaum liegen wir, springt Ann wieder auf und rennt Richtung Bad, um sich zu übergeben. Nachdem sie das dreimal wiederholt hat, legt sie sich im Gemeinschaftsraum auf eine Couch in die Nähe des Badezimmers. Drei Stunden später merkt auch Max, dass er dringend die Toilette besuchen muss, er hat Durchfall. In der Nacht kommt auch noch übergeben hinzu, aber es ist nicht ganz so heftig wie bei Ann, die fast gar nicht schlafen kann. Am nächsten Morgen ist uns klar, dass wir mit dieser mutmaßlichen Lebensmittelvergiftung die für den Abend geplante, nächtliche Weiterfahrt nach Arequipa vergessen können. Also buchen wir ein Doppelzimmer mit eigenem Bad in einem anderen Hostel, denn ein Gemeinschaftsbad zu benutzen, macht die ganze Angelegenheit nicht besser. Irgendwie bekommen wir unsere Sachen gepackt und mit Hilfe eines Taxis schaffen wir auch erschöpft den Umzug. Die nächsten zwei Tage gehen wir nur hin und wieder spazieren und Bananen soeie Haferflocken kaufen. Langsam geht es uns besser und so gehen wir am vierten Tag ins Kino, bevor wir abends endlich den Nachtbus nach Arequipa nehmen können.
Dort kommen wir am nächsten Nachmittag erledigt an. Heute schaffen wir es nur noch etwas essen zu gehen und bei einem Kaffee das tolle Panorama mit den drei Vulkanen zu genießen. Die Sicht ist jetzt in der Trockenzeit wesentlich klarer als unmittelbar nach der Regenzeit im März, als wir zum erstenmal in Arequipa waren und der Himmel ist nun jeden Tag strahlend blau. So können wir den perfekten kegelförmigen Misti, den weiß mit Schnee gepuderten Chanchani und den kleinen Picchu Picchu in ihrer ganzen Pracht und unverhüllt bewundern. Arequipa gefällt uns dieses Mal sogar noch besser als beim letzten Mal und so lassen wir uns drei Tage einfach treiben, um uns weiter zu erholen, bevor wir zur Dreitageswanderung im Colca Canyon aufbrechen werden. Während dieser Tage essen wir lecker auf dem Markt und kaufen dort zum Abendessen den leckeren Andenkäse und Avocado, waschen Wäsche und lassen uns tätowieren. Max erstes Tattoo ist ein Manta auf dem Oberarm und für Ann gibt’s neben ihrem Seestern eine Muschel. Am letzten Tag geht’s noch auf eine Free Walking Tour, um nochmal ein bisschen Input zur weißen Stadt Perus zu bekommen, bevor es am nächsten Morgen nach Cabanaconde geht.

Dazu nehmen wir ein Taxi zum Terminal. Dort erfahren wir, dass der nächste Bus leider erst um halb zwei abfährt, es aber Colectivos gäbe. Die Dame am Schalter winkt grob in eine Richtung uns sagt, dort führen außerhalb des Terminals die Colectivos ab. Wir gehen also los und landen in einer kleinen Gasse. Also fragen wir einen älteren Herrn nach dem Weg und danach noch jemanden und noch jemanden. Auf diese Art und Weise findet man sich in Südamerika meistens einigermaßen zurecht und es funktioniert auch hier. Irgendwann erreichen wir einen wuseligen Bereich, von dem unablässig Colectivos in die unterschiedlichsten Richtungen aufbrechen. Hier erfahren wir, dass es keine direkte Möglichkeit nach Cabanaconde gäbe, aber immerhin bis Chivay, das auf zwei Dritteln der Strecke liegt. Also fragen wir uns weiter durch, bis wir in der Menge der Büros für die verschiedenen Ziele das richtige Büro gefunden haben. Kurze Zeit später sitzen wir auch schon im Kleinbus, sind die letzten fehlenden Passagiere und ab geht die Fahrt. Nach 5 Minuten bereits geraten wir allerdings in einen heftigen Stau. Dadurch haben wir die nächsten 1,5 Stunden Zeit, uns das Industriegebiet anzuschauen. Das ganze Verkehrschaos mutet etwas wie Auto-Tetris an. Als wir z.B. beim Linksabbiegen den eigentlich flüssigen Verkehr der Gegenfahrtrichtung minutenlang blockieren, aber auch keine Lücke zwischen den Autos finden, die sich in unserer Fahrtrichtung stauen, fragen wir uns mal wieder, ob der Verkehr nicht effizienter liefe, hielten sich alle an gängige Verkehrsregeln. Aber immerhin hat der Fahrer 13 Beifahrer, die lauthals Tipps geben, wann und wie er fahren solle. Nach einer gefühlten Ewigkeit geht es endlich halbwegs flüssig weiter und unser Fahrer beschleunigt, nur um Sekunden später wieder anzuhalten. Er besorgt sich am Straßenrand erstmal ein Mittagessen. Danach gehts dann vorbei an Alpacaherden und rauchenden Vulkanen endlich flott nach Chivay. Uns empfängt hier ein atemberaubendes Bergpanorama, das uns die nächsten Tage bei strahlend blauem Himmel die ganze Zeit über begleiten wird. In Chivay wartet schon ein recht voller Minibus nach Cabanaconde, sodass wir praktisch direkt losfahren können. Manchmal läuft’s doch.
Im Ort angekommen, suchen wir uns eine günstige Bleibe für die Nacht und anschließend etwas zu essen. Das stellt sich als gar nicht so einfach heraus, gibt es hier im Ort doch keine großartige touristische Infrastruktur, da die meisten Leute nur mit Touren aus Arequipa hierher kommen. Nach kurzer Suche werden wir aber fündig und finden ein kleines Restaurant, in dem heute nur Alpakasteaks serviert werden. Sehr lecker und vom Chef gibts noch einen Kamillentee aufs Haus, der dabei hilft, die Kälte hier auf 3200m zu vergessen. Am nächsten Morgen fahren wir gemeinsam mit vielen Frauen in bunten Trachten und den hier üblichen gemusterten Hüten mit dem ersten Bus wieder ein Stück der Straße zurück. Hier steigen nicht nur wir aus, sondern der halbe Bus leert sich. Es stellt sich heraus, dass die Frauen alle am hiesigen Aussichtspunkt Souvenirs verkaufen. Es gibt sicherlich schlechtere Orte fürs Geschäft, ist dies doch einer der meistbesuchten Orte Perus. Der gefiederte Grund dafür ist der größte Vogel Südamerikas und Wappentier Perus, der Andenkondor. Die riesigen geierartigen Vögel ziehen jeden Morgen an dieser Stelle über dem 1000m tief abfallenden Colcacanyon majestätisch ihre Kreise. Aus der Distanz sehen sie gar nicht so groß aus, wir mutmaßen sogar, dass wir schon unbewusst welche gesehen haben. An dieser Stelle kommen die Tiere allerdings so nah, dass keinerlei Zweifel besteht, dass wir es mit Kondoren zu tun haben. Wieder zurück im Dorf gönnen wir uns ein Frühstückbuffett mit richtiger Butter, Käse und Schinkenwurst. Letztere haben wir zuhause nur bei Anns Familie gegessen und sie ist für uns nach 7 Monaten, in denen ein Rührei zum Frühstück schon Luxus war, doch ziemlich geil. Nach dem Frühstück müssen wir unser Hostel wechseln, nur leider stehen wir vor verbarrikadierten Türen, als wir unsere Rucksäcke holen wollen. Etwas ratlos hämmern wir an die heruntergelassenen Metallrolläden, ohne Erfolg. Nach einigen Minuten kommt vom Lärm angelockt eine Nachbarin und teilt uns mit, die Familie sei weg. Ach was, immerhin weiß sie noch zu berichten, dass ein Lädchen im Ort der Tochter gehöre. Also gehen wir dorthin und bekommen von der etwas desinteressiert wirkenden Nichte (nicht Tochter) zu hören, sie wisse nichts und habe auch keine Kontaktmöglichkeiten. Jetzt sind wir wirklich ratlos und entscheiden, zunächst mal im neuen Hostel einzuchecken und dort etwas zu warten. Nach zwei Stunden probieren wir es dann nochmal und haben dieses mal mehr Glück. Die Tür ist offen, auch wenn niemand zu sehen ist. Also packen wir flott unsere Sachen zusammen und verschwinden. Bezahlt hatten wir selbstredend schon am Abend. Nachmittags machen wir noch eine kleine Wanderung zu einigen weiteren Aussichtspunkten und sehen neben dem spektakulären Canyon mit den winzig wirkenden, in terassenform angelegten, Feldern an seinem Boden auch nochmal Kondore. Anschließend kaufen wir noch etwas Brot und Käse zum Abendessen und als Proviant für unsere Wanderung am nächsten Tag ein.

Diese beginnt direkt mit dem ersten von zwei Beinahe-Herzinfarkten heute. Wir gehen noch vor dem Beginn des Abstiegs in den Canyon einen Feldweg entlang, als uns plötzlich wie aus dem nichts und ohne warnendes Bellen ein Hund anfällt. Max kann ihn gerade so davon abhalten beherzt in die nackten Waden zu beißen, bevor Ann ihre Wanderstöcke herumwirbelt und das Tier damit vertreiben kann. So nah ist uns bis dato noch kein Hund so aggressiv gekommen. Als wir uns von dem Schreck erholt haben, geht die richtige Wanderung los. Sie führt uns einen zeitweise sehr schmalen und steilen Pfad entlang, der sich in scheinbar endlosen Spitzkehren die Canyonwand hinabwindet. Es ist beeindruckend, wie man vor hunderten Jahren der teils senkrechten Wand diesen Weg abgerungen hat. In jeder Kurve bietet der Weg einen Ausblick in die gnadenlose Tiefe des Abgrundes. Auf der halben Strecke erwartet uns dann der zweite Schreck des Tages. Ein anderer Hund rennt plötzlich ohne Vorwarnung, wie der Blitz, an uns vorbei. Er macht zwar nichts, aber die plötzliche Bewegung reißt uns doch unsaft und überraschend aus dem Trott des Laufens. Nach drei Stunden und rund tausend Metern erreichen wir den Fluss am Grund des Canyons. Es ist mittlerweile ziemlich warm und das kühle Nass lockt, allerdings zeugt der Schaum auf dem Wasser davon, dass Flussaufwärts viel Landwirtschaft betrieben wird und so lassen wir nur unsere Füße ins Wasser baumeln. Währenddessen verschlingen wir hungrig unsere Käsebrote. Nach der Pause legen wir letzten paar Meter bis zu unserer Unterkunft für die Nacht zurück. Mitten in einem wunderschönen grünen Garten liegen Häuschen mit jeweils einigen Räumen verteilt. Die grünen Pflanzen sind eine willkommene Abwechslung fürs Auge, ist der obere Teil des Canyons doch sehr karg, fast schon steppenartig. Auf der Wiese liegend und die Canyonwand hinaufstarrend verbringen wir einen entspannten Nachmittag. Von hier kann man nur erahnen, wo sich der Weg an der Wand entlangwindet und Ann kann es immer noch nicht glauben, dass sie den Abstieg so gut gemeistert hat. Den Abend verbringen wir mit einem netten kanadischen Pärchen, während es schon wieder Alpaka gibt. Das ist aber definitiv nichts, über das man sich beschweren würde, ist das Fleisch doch wirklich lecker. Überhaupt ist die Hostelbesitzerin Gloria nicht nur eine tolle Köchin, sondern auch absolut liebenswert. Obwohl wir das Hostel nur wegen des niedrigen Preises gebucht hatten, wird es uns wegen Gloria noch lange in Erinnerung bleiben! Von unserem Zimmer und sogar aus unserem Bett haben wir außerdem einen tollen Ausblick auf die Canyonwand und so vermissen es absolut nicht kein WLAN zu haben.

Der zweite Tag unserer insgesamt drei Tage dauernden Wanderung ist hart aber immerhin kurz. In knapp drei Stunden legen wir die hoch und runter gehende Etappe, in praller Sonne und auf noch schmaleren Pfaden als gestern, von San Juan de Choccho nach Sangalle zurück, wo unsere nächste Unterkunft wartet. Sangalle wird auch Oasis genannt und wirklich, es ist alles noch eine Spur grüner als im vorherigen Ort und inmitten des Grüns wartet verlockend ein großer Pool. Hier sonnen wir uns ausgiebig und genießen den ersten Pool seit einigen Monaten. Mit zwei niederländischen Paaren, die auch auf der Free Tour in Arequipa waren, spielen wir abends Karten und trinken einige Bier. Es ist also ohnehin ein spaßiger Abend, der beim Servieren des Abendessens noch lustiger und auch ziemlich skurril wird. Der Hostelbesitzer und die Tourguides der Gruppen haben sich nämlich mit etlichen Bier ziemlich abgeschossen und versuchen nun die Suppe zu servieren. Das ganze erinnert ziemlich an Dinner for one, bis ein noch nüchterner Guide sich erbarmt und das Servieren übernimmt. Der Koch ist zum Glück auch nüchtern geblieben und so schmeckt das Essen auch wieder gut. Anschließend wollen wir bezahlen, da wir uns am nächsten morgen noch im Dunklen an den Aufstieg begeben wollen. Leider ist der Besitzer nicht mehr in der Lage zu rechnen, er möchte statt seiner Taschenrechnerapp die Telefonapp verwenden. Also helfen wir ihm auf die Sprünge und so endet der skurrile Abend noch skurriler.
Der Aufstieg, immerhin 1.100 Höhenmeter, fällt uns leichter als gedacht, wir überholen sogar alle Tourgruppen, die teilweise vor uns losglaufen sind. Beim Aufstieg haben wir immer wieder einen unglaublichen Ausblick in den Canyon und je höher wir kommen, desto mehr Sonne beleuchtet die Canyonwände. Die einzige Störung sind dabei Maultiere, die ohne Rücksicht auf Verluste den Weg in teilweise unvernünftig hoher Geschwindigkeit hochpreschen. Die Maultiere transportieren Waren und können auch von Touristen gemietet werden. Nachdem wir gesehen haben, wie ein Muli in einer Kurve fast rausschlittert, sind wir uns einig, dass so ein Ritt waghalsiget als gedacht ist. Nach ein paar Fotostopps erreichen wir gegen acht Uhr wieder Cabanaconde, buchen ein Busticket für halb zehn nach Arequipa und setzen uns wieder in das gleiche Café wie einige Tage zuvor zum Frühstücken. Nach der Wanderung ist so ein All-You-Can-Eat Buffet nochmal wesentlich besser als zuvor und so essen wir uns pappsatt, bevor es im Anschluss wieder nach Arequipa geht. Dieses Mal sitzen wir im Direktbus und so schlummern wir erledigt vor uns hin bis wir fünf Stunden später wieder in der weißen Stadt ankommen, in der wir uns nochmal zwei Nächte Ruhe gönnen.
Bis zum nächsten Mal, Ann und Max