Die weiße Stadt und die rote Wüste

Bevor wir Cali verlassen können, steht unser Bus zwei Stunden im Stau. Gut, so brauchen wir uns dieses Mal wenigstens keine Hoffnungen auf eine pünktliche Ankunft machen. Als wir endlich die Stadt hinter uns gelassen haben und durch das Valle de Cauca fahren, fallen uns wieder Mal die vielen schäbigen Etablissements am Rand der Hauptstraße auf. Das haben wir so wirklich nirgendwo sonst in Kolumbien wahrgenommen. Auf der weiteren Strecke kommt es zum Glück nicht zu noch mehr Verspätungen und wir kommen nach sieben unbequemen Stunden an. Das ist auch gut so, denn unser Bus ist recht eng, Max muss die Beine anziehen, um sich irgendwie auf den Platz zu falten. Zwischendurch muss er sich dann mehrmals der Versuche der vor ihm sitzenden Menschen erwehren, den Sitz nach hinten zu machen. Das ist zwar nicht unbedingt neu, aber doch immer wieder anstrengend. In Popayan angekommen, schmeißen wir erstmal unsere Wäsche in die Maschine (wir können sie umsonst benutzen!) und machen uns anschließend auf den Weg in die Innenstadt, die auf einem Hügel liegt. Pünktlich zum Sonnenuntergang kommen wir am Hauptplatz an, der hier Parque de Caldas heißt und nicht wie im Rest Kolumbiens Parque Bolívar. Popayán trägt auch den Beinamen „weiße Stadt“ und das nicht zu Unrecht. In den unzähligen weißen Gebäuden rund um den zentralen Platz spiegelt sich der Sonnenuntergang in den Fassaden. Die Stadt gefällt uns auf Anhieb richtig gut. Obwohl fast 400.000 Menschen in der Hauptstadt des Departamentos Cauca  leben, erinnert die Atmosphäre im Zentrum eher an eine Kleinstadt. Für uns ist Popayán das Arequipa (die weiße Stadt in Peru) Kolumbiens. Nicht nur wegen der weißen Fassaden, sondern auch wegen der für die wenigen Touristen posierenden Lamas und einigen Gerichten, die auf der Straße verkauft werden. Nachdem die Sonne hinter den Bergen der Cordillera Central, des mächtigsten der drei Andenausläufer Kolumbiens, untergegangen ist, suchen wir was zu essen. Fündig werden wir ausgerechnet im, wie wir später erfahren, beliebtesten Restaurant der Stadt für Anlässe aller Art. Aber wir waren ausgehungert und hatten Lust auf was gutes zu Essen und das war es auch. Wir kamen uns allerdings etwas underdresst vor in Flipflops und Shorts neben Anzug und Kleid tragenden frisch gebackenen Universitätsabsolventen mit ihren Familien.

Sonnenuntergang in Popayán

Am nächsten Tag treffen wir uns morgens am Hauptplatz zu einer Free Walking Tour. Wir waren zwar zunächst überrascht, dass es in dieser mit 400.000 Einwohnern recht kleinen Stadt, die abseits der üblichen Touristenroute liegt, soetwas gibt, wollen dem ganzen aber eine Chance geben. Und wir werden nicht enttäuscht. Der Guide John kommt aus Popayán und engagiert sich für die lokale NGO Get Up And GO Colombia, über die auch die Free Tour angeboten wird. Die Organisation setzt sich dafür ein, Opfern und Tätern der bewaffneten Konflikte, die in der Region Cauca bis heute andauern, eine sinnvolle Arbeit zu verschaffen. An dieser Stelle sollten wir erwähnen, dass es in der Region zwar nach wie vor Scharmützel gibt, diese sich aber auf die abgelegenen Gebiete fernab der Städte konzentrieren. Das macht sie für die Bewohner dieser Gebiete nicht weniger dramatisch. Get Up And Go Colombia betreibt zum Beispiel ein Café, in dem selbst angebauter Kaffee verkauft wird. Auch die Möbel wurden in Eigenregie von ehemaligen Guerillakämpfern gefertigt. Zusätzlich gibt es Bildungsangebote wie zum Beispiel Sprachtreffs, bei denen interessierte Touristen mit Einheimischen zur Übung Englisch oder Französisch sprechen. John lädt uns auch ein, allerdings schaffen wir es abends leider nicht, da wir vom erneut wunderschönen Sonnenuntergang aufgehalten werden. Diesen schauen wir von einem pyramidenförmigen Hügel neben der Stadt, der einer prähispanischen Kultur mutmaßlich als Kultstätte diente. Auf der Tour lernen wir außerdem alles über die Osterfeierlichkeiten, für die Popayán im ganzen Land bekannt ist. Zum Beispiel werden die bei den Prozessionen genutzten, bis zu 600 kg schweren, Sänften seit Jahren verwendet und immer wieder restauriert. Dafür ist jeweils eine Familie zuständig, die für alle Kosten aufkommt. Auch muss sich die Familie um den Schmuck der Sänften für die Prozession kümmern und die Träger stellen. Ein interessanter Einblick! Am Ende der Tour gehen wir denn auch zu dem Café und probieren gemeinsam mit dem französichen Pärchen, das auch dabei war, die lokalen Produkte. Max ist begeistert von dem frittierten Maisteig, der mit einer Art Tomatenchutney serviert wird und natürlilch vom Kaffee. Die anderen schwärmen von der lokalen Variante der Empanadas aus einem Maisteig gefüllt mit einer Art Erdnussbutter und serviert mit scharfer Erdnusssoße.

Am nächsten Morgen brechen wir früh auf zum Busterminal und fahren nach Neiva, der Hauptstadt der Provinz Huila. Da wir mittlerweile wissen, wie es mit dem Busfahren in Kolumbien läuft, gehen wir davon aus, dass wir hier eine Nacht werden bleiben müssen, bevor wir uns auf den Weg zu unserem finalen Ziel, der Tatacoawüste aufmachen können. Doch zunächst genießen wir die fantastischen Ausblicke während der Fahrt über die 4000m hohen Pässe der Zentralkordilleren. So weit das Auge reicht, wachsen Frailejones. Das sind Gewächse, die aussehen wie langgezogene Ananas. Sie sind sehr wichtig für den Wasserhaushalt in den Hochebenen und damit für die Flüsse Kolumbiens, die in diesen Gebieten entspringen. Die Fahrt durch die Berge geht wieder einmal nur sehr langsam voran, doch wie durch ein Wunder kommen wir tatsächlich noch vor dem Einsetzen der Dunkelheit in Neiva an und entschließen uns kurzerhand, noch weiter zu fahren. In einem kleinen Bus geht’s also ins letzte Örtchen vor der Wüste, Villa Vieja. Hier mieten wir uns in einem kleinen Hostel für eine Nacht ein, für die folgenden zwei Nächte haben wir eine Buchung in einem kleinen Hotel mit Pool. Nachdem wir unser Zimmer bezogen haben, stromern wir auf der Suche nach einem Bierchen durch den Ort und stoßen auf eine lokale Brauerei mit Bar. Es ist zwar komplett leer, aber es ist ja auch kein Wochenende. Also fragen wir nach den Preisen und bekommen gesagt, dass wir einen Eintritt zahlen müssten. Wir schauen uns an, lachen und ziehen weiter. Ein weiteres Mal verdient sich Kolumbien seinen Spitznamen Locombia.

Nach einer kurzen Nacht fahren wir mit einem Tuktuk die kurze Strecke in die rote Wüste, die eigentlich keine ist. Es ist vielmehr ein Bereich ohne Vegetation, in dem sich viele interessante Gebilde aus rotem Sand befinden, die über die Jahre in den Boden gewaschen wurden. Dass dieser Bereich gar nicht groß ist sehen wir vom Viewpoint, bevor die kurze Wanderung startet. Wir sind etwas irritiert, denn eine Wüste hatten wir uns schon irgendwie anders vorgestellt. Um den Bereich herum ist eher eine trockene Steppenlandschaft, die uns etwas an Kenia erinnert. Schön ist das ganze aber dennoch und so brauchen wir für die etwa 5 km Rundwanderung doch ganze 2 Stunden wegen der vielen Fotomotive. Danach wird es auch ganz schön heiß und so machen wir uns zu zweit auf einem Motorradtaxi auf den Rückweg ins Dorf, um den Nachmittag über den Pool unseres Hotels zu genießen. Wir hatten zwar in der unmittelbaren Nähe der Wüste wesentlich günstigere Unterkünfte gesehen, von denen wir nichts wussten und die online nicht zu finden waren, sind jetzt aber doch froh, ein bisschen mehr für das bisschen Luxus auszugeben. Nach dem Abendessen wollen wir nochmal baden gehen. Ann springt ins Wasser und tritt auf einmal hektisch den Rückzug an. Sie hätte etwas schwarzes sich im Wasser bewegen sehen, klärt sie auf. Bei genauem Hinsehen stellen wir fest, dass sich einige Frösche nachts im Wasser amüsieren und es keine Schlange war. Beruhigt springen wir also dazu.

Die rote Tatacoa Wüste

Auch die Qualität des Bettes ist besser, als wir es gewöhnt sind und so machen wir uns am nächsten Tag ausgeruht zu Fuß auf in Richtung Wüste. Unser Plan: Wir wandern bis spätestens zur roten Wüste (ca. 6 km) und nehmen dort ein wie auch immer geartetes Transportmittel zur grauen Wüste (ein wenig größer, aber sonst ähnlich wie gestern nur mit grauem statt rotem Sand). Im Besten Fall jedoch könnten wir den ganzen Weg trampen. Nach ca. 2 km haben wir auch Glück und ein nettes Paar aus Bogotá hält an, um uns mitzunehmen. Leider wollen sie zunächst nur bis zur roten Wüste, aber besser als nichts. Wir können den Kolumbianern sogar helfen, indem wir ihnen sagen, wo sie hinmüssen. Die beiden sind nämlich ohne jeden Plan nachts um 2 losgefahren uns wissen nur, dass sie irgendwo ihren Guide treffen müssen. Zum Glück hatten wir am Vortag gesehen, wo die Guides auf Kundschaft warten. Nach diesem super Start, stehen wir nun allerdings in der roten Wüste und müssen noch 8km weiter in den grauen Teil. Leider besuchen scheinbar alle zunächst den roten Teil, weshalb Trampen nicht klappt. Also klappern wir die wenigen Häuser ab, um nach einem Transfer zu fragen. Die ersten Angebote sprengen jeden Rahmen, also gehen wir weiter bis wir bei einer älteren Dame fündig werden, die ihre Kinder (13 und 19) mit ihren Motorrädern schickt. Dort angekommen vereinbaren wir noch die Abholung in zwei Stunden und machen uns auf die kurze Wandeung. Wir sind uns einig, dass uns die graue Wüste aufgrund der besonderen Formationen noch besser als die rote Wüste gefällt. Im Anschluss warten wir auf die beiden Kids, trinken eine Cola, amüsieren uns über die wilden Ziegen und die Kolumbianer, die versuchen diese zu streicheln. Wir warten lange, aber niemand kommt. Nachdem die beiden eine halbe Stunde überfällig sind, geben wir den Offerten eines Motorradtaxifahrers nach und fahren mit ihm ins Dorf. Unterwegs kommen uns die beiden Kids entgegen und halten uns an. Sie wollen Benzingeld für die umsonst gefahrene Strecke. Es gibt eine etwas lautere Diskussion, aber wir sind der Meinung, wir hätten lange genug gewartet, um dem kolumbianischen Zeitgefühl Rechnung zu tragen. Unser Fahrer stimmt dem zu und meint, mit dieser Familie gebe es dauernd Probleme. Schade eigentlich, machten die doch eigentlich einen sympatischen Eindruck. Den Nachmittag verbringen wir wieder im und am Pool und geießen die Wärme. Am nächsten Tag geht’s nämlich nach San Agustin in die Berge.

Felsformationen, Tatacoa Wüste

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