Zurück in Iquitos nach der Dschungeltour versuchen wir Infos zu bekommen, wie man am Besten per Schiff nach Ecuador kommt. Über den Amazonas und den Rio Napo ist die Grenzüberquerung möglich, wenn auch von Touristen kaum genutzt. Man muss nicht nur viel Zeit mitbringen, sondern auch gewillt sein, quasi ohne Komfort zu reisen. Wir werden zu der Adresse eines Ticket Office mitten im Nirgendwo in Iquitos geschickt und zweifeln schon, ob uns hier wirklich jemand weiterhelfen kann. Aber am Ende stehen wir tatsächlich vor einem kleinen Büro in einem Privathaus und können unser Ticket bereits für den nächsten Tag kaufen (das Schiff legt in Iquitos nur Samstag und Dienstag ab).
Abends gehen wir spontan mit einem schweizer Paar von unserer Dschungelgruppe in die Musmuqui Bar (Empfehlung unseres Guides Augusto). Benannt ist die Bar nach einer Affenart, die von 6 Uhr abends bis 6 Uhr morgens aktiv ist. Ann erklärt die Bar auch direkt zu ihrer neuen Lieblingsbar – so müssen sich Goldgräber nach der Rückkehr in die Zivilisation gefühlt haben! Iquitos hat dazu noch diesen ganz besonderen Charme einer abgerockten Dschungelstadt… Die Quittung für die Nachtschwärmerei gibt’s am nächsten Morgen – nach nur 3 Stunden Schlaf müssen wir um halb 6 mit dem Mototaxi zum Hafen.

Wir sollen um 6 Uhr da sein und überraschenderweise steht die Mehrheit unserer Mitfahrer auch schon am Hafen. Das Nachbarboot lässt den Motor laufen und nebelt uns alle und den halben Hafen mit Benzindämpfen ein, zum Glück haben wir unsere FFP2 Masken am Start. Pünktlich um 7 Uhr legt dann das Rápido (Schnellboot) mit ca. 40 Passagieren ab, es ist komplett zusammengeschustert aus verschiedenen ausgemusterten Flugzeug- und Bussitzen. Zunächst fahren wir etwa 1,5 Stunden und legen dann in Mazan an, hier steigen wir alle aus und samt Gepäck in 20 Mototaxis um. Mit dem fahrbaren Untersatz geht es 15 Minuten über eine kleine asphaltierte Straße quer durch den Dschungel. Wir kürzen so eine riesige Kurve des Amazonas über Land ab und steigen auf der anderen Seite, auf dem Rio Napo, in unser nächstes Schiff. Das neue Schiff sieht, wenig überraschend, genau so aus wie das vorherige.

Nach 9 Stunden Fahrt entlang des unendlich weiten Regenwaldes kommen wir im kleinen Dorf Santa Clotilde an. Hier beziehen wir unser Zimmer in der einfachsten Unterkunft, die wir je gesehen haben. Die Übernachtung ist im Fahrtpreis inbegriffen und wir haben keinerlei Erwartungen gehabt, aber sogar diese wurden noch untertroffen. Die Matratzen sind komplett schimmelig und die Kopfkissenbezüge völlig dreckig. Der Bettbezug besteht nur aus einem Laken ohne Decke und das Zimmer riecht alles andere als gut. Naja wir wollten ja ein Abenteuer erleben, also zucken wir die Schultern, beschließen mit Klamotten zu schlafen und gehen eine kleine Runde im Dorf spazieren. Die Bewohner sind in Feierstimmung und ein völlig betrunkener alter Mann bietet uns Tequila aus seinem Glas an, was wir dankend ablehnen.
Um halb 4 morgens soll es weiter gehen und als wir am Hafen ankommen, stehen schon wieder viele unserer Mitfahrer bereit. Wir warten noch bis 4 Uhr auf Zuspätkommer, da noch einige Mitfahrer fehlen. Als wir ablegen, sehen wir dann trotzdem noch verspätete Passagiere winkend angerannt kommen – diese müssen wohl in dem kleinen Ort auf das nächste Schiff in 3 Tagen warten, unser Kapitän dreht nicht nochmal um. Wir dämmern beide vor uns hin, als wir plötzlich von einem hysterischen Schrei unsanft geweckt werden. Ein paar Sachen fallen krachend aus der Gepäckablage. Es ist immernoch komplett dunkel und bei uns macht sich ein mulmiges Gefühl breit. Automatisch suchen wir beide den Abstand zum nächsten Ufer, um abzuschätzen wie weit wir schwimmen müssten… Zum Glück ist das nicht nötig, wir haben scheinbar nur eine etwas ängstliche Mitfahrerin an Board, die sich jetzt auch vorsorglich eine Rettungsweste anzieht. Der Fahrer soll nun langsamer fahren. Wie auch schon auf unseren Busfahrten stellen wir fest, dass es einige nicht ganz verkehrsmitteltaugliche Peruaner gibt. Der Fluss ist nun Mal ziemlich kurvig und es sind immer wieder Ausweichmanöver aufgrund von im Fluss treibenden Baumstämmen nötig – da lässt sich das ein oder andere Schwanken und engere Kurven nicht vermeiden. Wir würden die Fahrweise unserer Kapitäns jedenfalls als umsichtig bezeichnen.
Es geht Stunde um Stunde immer weiter Flussaufwärts und sowohl links, als auch rechts erstreckt sich weiterhin nichts als purer Regenwald. Immer wieder sehen wir allerdings kleine Häuseransammlungen am Flussufer. An einigen halten wir auch an, um Passagiere aussteigen zu lassen. Neue Passagiere gibt es keine, denn wir bewegen uns immer weiter weg von jeglicher Zivilisation. Soweit von der nächsten Stadt entfernt waren wir noch nie und es ist irgendwie schwer begreifbar, dass um einen herum nichts als Dschungel ist. Augusto hatte uns scherzhaft erzählt, dass man, wenn man sich hier im Dschungel verläuft in Kolumbien oder Brasilien rauskommen kann (wenn man Glück hat) – jetzt wissen wir was er damit meinte. Der Amazonas Regenwald ist unvorstellbar riesig. Ein paar unserer Mitfahrer vertreiben sich die vielen Stunden Fahrt damit, selbst gebrannten Schnaps zu trinken. Die meisten unserer Mitfahrer kennen sich ohnehin und sind eine eingeschworene Gemeinschaft, Fremde verirren sich nicht so häufig auf diese entlegene Route. Ein kleines Mädchen erzählt uns begeistert, dass vor 3 Wochen andere „Abenteurer“ da gewesen sind (ein bisschen cool ist es zugegeben schon, einmal nicht als Gringo oder Tourist bezeichnet zu werden)…
Mittags halten wir in einem kleinen Dorf und wir bekommen ein uns unbekanntes, aber dafür für uns nicht sehr leckeres Fleisch serviert (zum Glück gibt’s auch Reis und Kartoffeln). Ann erkundigt sich, um was für ein Fleisch es sich handelt und unser Verdacht bestätigt sich: ein Dschungeltier ist auf unserem Teller gelandet. Da uns der Name „Majaz“ nichts sagt, lassen wir uns das Tier beschreiben. Die Beschreibung „wie ein großes Meerschweinchen, nur ohne Haare und sowas ähnliches wie Stacheln“ klingt nicht wirklich verlockend. Als wir am nächsten Tag Internet haben, finden wir heraus, dass das Tier auf deutsch Paka heißt und ein Nagetier ist (in Ecuador ist die Jagd auf Pakas verboten, in Peru scheinbar nicht).
Nach 14 anstrengenden Stunden Fahrt kommen wir gegen 17:30 Uhr im peruanischen Grenzort Cabo Pantoja (200 Einwohner) an. Wir checken direkt in die einfache aber einigermaßen saubere Hospedaje am Hafen ein. Beim Aussteigen hat uns schon Rodrigo angeboten, uns mit seinem motorisierten Kanu nach Ecuador zu fahren. Da wir nach dem langen Tag erstmal nur duschen und ausruhen wollen, verschieben wir die Weiterfahrt nach Ecuador auf den nächsten Tag. Ab 18 Uhr gibt es in dem kleinen Ort Strom, deshalb gehen wir abends noch zur Immigrationsbehörde, um uns die Ausreisestempel für unsere Pässe abzuholen. Ohne Strom funktioniert das ganze tagsüber nämlich nicht. Der Officer ist sehr pflichtbewusst und zieht sich extra seine „Migration“ Weste an und prüft unsere Reisepässe ganz genau. Nachdem die Ausreiseformularitäten erledigt sind, gehen wir bei Rodrigo (dem findigen Geschäftsmann des Dorfes) noch ein Hähnchen essen.
Schließlich ist es am nächsten Morgen soweit und wir verabschieden uns von Peru (zumindest fürs Erste, 3 Wochen unseres Visums haben wir uns noch übrig gelassen). Rodrigo fährt uns in seinem Boot gemeinsam mit seiner Frau und dem kleinen Sohn rüber nach Ecuador. Die Fahrt dauert 1,5 Stunden und wüssten wir nicht, dass wir Peru gerade verlassen, könnte es passieren, dass man es verpasst. Wir kommen an dem letzten Dschungelbatallion Perus vorbei, das hier eine kleine Militärstation hat (ein Überbleibsel aus dem Dschungelkrieg mit Ecuador in den 40er Jahren). Langsam tuckern wir weiter den Fluss hinauf und wie schon die letzten Tage (und die nächsten) ist weit und breit nichts zu sehen außer dichter Regenwald. Wir wissen, dass es jetzt gleich soweit sein muss – das einzige Zeichen für unsere erste Grenzüberquerung ist ein kleiner, völlig unbesetzter, Grenzposten auf einer Insel im Rio Napo. Wir sehen eine letzte peruanische Flagge in der dünnen Morgenbrise vor uns wehen und dann sind wir auch schon in Ecuador.
Als wir in Nuevo Rocafuerte ankommen, werden nur unsere Namen von der Marine in ein Logbuch eingetragen. Unsere Einreiseformalitäten können wir erst in der nächsten Stadt erledigen. Wir sind also erstmal mehr oder weniger „illegal“ in Ecuador. Zu Nuevo Rocafuerte gibt’s nicht allzuviel zu sagen, außer dass es den ganzen Tag Strom gibt und sogar WLAN. Die Uferpromenade ist außerdem überraschend gut ausgebaut.
Früh um 6 Uhr morgens am nächsten Tag nehmen wir ein Boot nach El Coca (je nach Wasserstand 6-12 Stunden weiter flussaufwärts), wo die erste Möglichkeit besteht sich den Einreisestempel abzuholen.
Lustigerweise ist das Boot schneller als unser Schnellboot in Peru, obwohl es eigentlich noch ein designiertes Schnellboot (gegen Aufpreis) gegeben hätte. Aber wir haben inzwischen so viele Flussstunden auf dem Tacho, dass uns 3 Stunden mehr oder weniger egal sind. Als wir nach einer Weile von Soldaten kontrolliert werden, die an Board kommen, fragt niemand nach unserer Einreise oder wo wir herkommen. Auf der Hälfte der Strecke um halb 11 gibt’s eine fünfzehnminütige Pause für ein schnelles Mittagessen (kein Dschungeltier dieses Mal). Nach 10 Stunden kommen wir in El Coca an.
Wir gehen direkt zur nächsten Polizeistation und dort erklärt uns der freundliche Polizist, wo wir einreisen können und ruft uns sogar noch ein Taxi. Fast entschuldigend sagt er, er dürfe uns leider nicht fahren. Nachdem wir uns in der kleinen Immigrationbehörde unsere Stempel abgeholt haben, checken wir im Hotel ein. An diesem Tag ruhen wir nur noch aus und schmieden Pläne, was wir in Ecuador als erstes sehen möchten.
PS: Auf unserem YouTube Kanal findet ihr ab sofort unser erstes Reisevideo zu Südperu.