Eksekusi Zeremonie in Bena

Wie bereits in unserem Big Flores Roadtrip Post erwähnt, sollte man es sich gut überlegen, ob man seine Hochzeit, eine Hausrenovierung oder die Geburt eines Kindes im Stil der Ngada feiern möchte.

Aber nun erstmal die grundlegenden Informationen, um vielleicht besser zu verstehen, was für eine Zeremonie wir erlebt haben: Die Ngada, ein traditionellen Riten folgender Volksstamm, unterscheiden elementar zwischen Religion und Glauben. Die Religion der Ngada ist der Katholizismus und wird durch viele Marienstatuen und Bilder der Maria in den traditionell aus Bambus und Palmfasern gebauten Häusern gelebt. Auch die Namensgebung der Kinder basiert auf christlichen Vornamen, die durch den Kalendertag der Geburt vergeben werden.

Ihren zweiten Vornamen wählen die Kinder während der Taufe jedoch selbst aus einer Vielzahl bereits verstorbener Ahnen, die solange vorgelesen werden bis das Kind ein Zeichen gibt, dass es sich in dem jeweiligen Ahnen erkennt. Dieser Brauch der Ngada gehört zu ihrem animistisch geprägten Glauben. Reinkarnation und der feste Glaube, dass die verstorbenen Familienmitglieder in einem bestimmten Raum im Haus als Seelen weiterleben gehören hierzu. Hierbei spielen außerdem verschiedene Zeremonien mit Opferungen und Tänzen zu bestimmten Anlässen eine wichtige Rolle.

Zur Geburt eines Kindes, zur Hochzeit oder Hausrenovierung werden sowohl Wasserbüffel, als auch Schweine oder Hühner (je nach Anzahl der Verwandten und Bekannten) geopfert, um das Blut der Tiere den Ahnen darzubieten und aus den Herzen der Tiere die Zukunft zu lesen. Diese Zeremonien sollen nicht nur Glück über die Familie bringen und die Ahnen positiv stimmen, sondern versorgen auch gleichzeitig das jeweilige Dorf (und meist auch die Nachbardörfer) mit ausreichend Fleisch. Da die Zeremonien allerdings aufgrund der teuren Tiere nicht sehr häufig durchgeführt werden, kann man sich vorstellen, dass es für die Ngada ein besonderer Festtag ist.

Am Tag unserer Ankunft in Bajawa erfuhren wir von unserem Host Marselino, dass es am nächsten Tag in Bena, einem der traditionellen Ngada Dörfer, eine zweitägige Zeremonie anlässlich einer Hausrenovierung geben würde. Da wir uns sowieso die alten Dörfer ansehen wollten, fuhren wir also am nächsten Tag nach Bena. Der erste Teil, bzw der erste Tag, der Zeremonie besteht darin, dass alle Verwandten und Bekannten der Familie in das Dorf kommen und zu Trommeln und Klanghölzern traditionelle Tänze in der Mitte des Dorfplatzes aufführen. Die einzelnen Familien tragen hierbei verschiedene traditionelle Sarongs und Kopfschmuck. Die Frauen tragen lange Bänder mit Blumen an den Händen und die Männer schwingen ihre Macheten im Rhythmus der Trommeln. Wir konnten die Musik schon von weitem hören und ich hatte das Gefühl in ein anderes Zeitalter versetzt worden zu sein. Die Kulisse der traditionellen Häuser, dem Dorfplatz mit den Geisterhütten und Meglithen und der Geruch des Rauches wirkte sehr unwirklich.

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Wir waren die einzigen Touristen und die Dorfbewohner schienen sehr stolz, dass wir zum Zuschauen gekommen waren. Jede Gruppe von Verwandten und Bekannten der Familie macht quasi mit dem Tanz das Versprechen für den nächsten Tag ein Schwein oder einen Büffel zum Opfern zu schenken.
Und als wir aufbrechen wollten, erfuhren wir, dass die Zeremonie am nächsten Tag, ab 7 Uhr morgens, mit dem Opfern von 10 Wasserbüffeln und 40 Schweinen weiter gehen sollte. Da dies eine wirklich selten große Zeremonie ist, die so nur einmal in vielen Jahren gefeiert wird, entschieden wir uns spontan am nächsten Morgen wieder zu kommen.

Am nächsten Morgen machen wir uns also schon um 6 Uhr mit Marselino, einem Schweizer Paar und zwei Briten auf den Weg nach Bena. Angekommen erwartet uns das ganze Dorf wie unter Strom stehend. Überall wuseln Kinder und Erwachsene durcheinander. Unterhalb der Dorfmitte wurde noch ein Holzboden zur Verarbeitung des Fleisches gezimmert, während auf dem Dorfplatz bereits die zehn Wasserbüffel an einem Bambuspflock nebeneinander aufgereiht angebunden stehen. Nach einiger Zeit verkündet ein Sprecher über Mikrofon, dass es bald losgeht. Nach und nach strömen also die Dorfbewohner und ihre Gäste in die Dorfmitte rund um die angebundenen Büffel und wir stellen uns mit dazu. Nach und nach werden alle Kinder eingesammelt und in sicherer Entfernung platziert. Was nun folgen sollte hatte unser Guide im Vorhinein zwar schon als sehr brutal beschrieben, aber ich hätte mir nichts dergleichen auch nur annähernd vorstellen können.

Die 10 ausgewählten Ngada marschierten zunächst in einer Reihe durch die Zuschauer und präsentierten dabei stolz die zur Exekution der Büffel benötigte Machete. Danach wurde der erste Büffel zum Schlachten aus der Reihe hervorgeholt, auf der einen Seite angebunden, auf der anderen Seite durch fünf mutige Männer, an einem Seil ziehend in Schach gehalten. Anschließend wird der Kopf des Tieres mit Hilfe eines Bambusstabes, der unter das Seil gestellt wird, nach oben gebogen. Der daraufhin frei gegebene Hals und die Luftröhre des Tieres wird nun durch einen oder zwei (oder manchmal auch deutlich mehr), mehr oder weniger gezielte, Hiebe mit der Machete durchtrennt. Was sich hier abspielt ist schwer zu beschreiben, die Tiere leiden oft und sterben aufgrund der unscharfen Machete oder der nicht gut geführten Hiebe der Männer erschreckend langsam. Die Vollstrecker müssen nach ihrem Hieb schnell außer Reichweite des, vor Schmerzen und Angst, rasenden Büffels flüchten und die Helfer haben Mühe die Tiere zu halten. Einige Todessehnsüchtige stehen auf jeden Fall für meinen Geschmack um einiges zu nah am Geschehen. Bei uns wäre hier alles durch Barrieren abgeriegelt, aber in Deutschland würde es die Opferung Dank des Tierschutzes so ja auch gar nicht geben.

Nachdem ich die ersten Bullen aus der Nähe beim Verenden betrachten konnte habe ich genug gesehen und geselle ich mich weiter nach hinten zu Catherine, der Britin, und einigen Frauen des Dorfes, die dem Ganzen auch eher skeptisch gegenüber stehen. Die Zeremonie scheint die Männer des Dorfes deutlich mehr zu begeistern und hat mit all dem Jubel und den Anfeuerungsrufen fast schon Fußballspielcharakter. Max hat währenddessen die Zeremonie mit einigen Bildern (nichts für schwächere Nerven!), die ihr ganz am Ende des Beitrages sehen könnt, festgehalten.

Nachdem auch der letzte Büffel erlöst war, ging es an das Zerschneiden und Aufteilen des Fleisches. Der Kopf mit den Hörnern wird hierbei zu der Familie gebracht, damit das Schädelskelett später als Schmuck (und Zeichen von Reichtum) am Haus angebracht werden kann. Währenddessen wurden wir von einer Familie zum Frühstück mit Kaffee auf der Veranda eingeladen.

Gestärkt nach einem sehr starken und sehr süßen Kaffee, waren wir gewillt uns auch noch das Opfern der Schweine anzuschauen. Hierzu werden alle Schweine unter großem Gequiecke und Geschrei von mehreren Männern zu Boden gezwungen und zusammen gebunden, so dass sie sich nicht mehr bewegen können. Danach folgen ein oder zwei (oder auch deutlich mehr) Hiebe mit der Machete in den Schädel des Schweines. Nachdem alle Schweine getötet sind, ist es plötzlich sehr still und es ist nur noch das Prasseln des Feuers, nach dem die Schweine  zur Häutung der Borsten mit Benzin übergossen und angezündet werden, zu hören. Der Rauch ist jedenfalls beißend und brennt unangenehm in Augen und Nase. Bisher waren wir die einzigen Touristen, doch nun treffen weitere Gruppen ein und wir beschließen, dass es für uns an der Zeit ist aufzubrechen. Die Einladung zum Büffelfleisch essen schlagen wir dankend aus, wir sind durch unseren Campingausflug zum Strand am Nachmittag entschuldigt.

Auch wenn das Opfern der Tiere  bzw. wie langsam sie gestorben sind, schockierend war, muss ich zugeben, dass der Stolz der Ngada und die Freude des Dorfes über den Festtag beeindruckend war. Alle paar Minuten zeigte mir jemand einen Büffel oder ein Schwein und erzählte stolz, dass dies das Geschenk seiner Familie gewesen war. Ich kann immer noch zu keiner endgültigen Meinung zu der Zeremonie kommen, da es einerseits eine erschreckende Veranstaltung war, aber es sich andererseits um eine tief verwurzelte Tradition handelt. Ich denke, ich werde den Tag als aufregende Erfahrung in Erinnerung behalten, werde aber dankend auf eine Ngada Zeremonie auf meiner Hochzeit verzichten;)

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2 Gedanken zu “Eksekusi Zeremonie in Bena

  1. Wir finden, dass Ihr ganz phantastische Bilder macht – und wir lieben Eure Texte, lachen manchmal richtig, weil es so lustig ist, wie Ihr es schildert und sind andererseits auch beeindruckt, wie Ihr die Menschen und ihre Traditionen seht. Wir haben ja auch schon einiges von der Welt gesehen, aber so lange und so intensiv in einem Land wie Indonesien unterwegs sein zu können, erscheint uns als der pure Traum …

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  2. Oma und Opa haben grade mal alles angeguckt und sind schwer beeindruckt – finden Eure Aufnahmen sehr schön – und wissen wie man die Schweine auch ohne Feuer von den Borsten befreit – nähere Erläuterungen zu Hause
    Ganz liebe Grüße

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